Verkehrswende praktisch – 02.09.2021: B2 für Radfahrende

Zusammen mit Kandidat:innen und interessierten Bürger:innen erkunden wir im Wahlkampf 2021 Potenziale und Probleme wichtiger Radstrecken im Bezirk Pankow.

Unzureichende oder gar keine Radverkehrsanlagen, starker Kfz-Verkehr auf der Bundesstraße, Tram mit eigenem Gleiskörper oder auf der Fahrbahn, Einkaufsstraße mit hohem Fußverkehrsanteil und Platzbedarf für Lieferverkehr kennzeichnen den Streckenverlauf unserer zweiten Tour. Baustelle und Schienenersatzverkehr sorgen für eine Verschärfung der Situation des Radverkehrs in einzelnen Abschnitten, zeigen Chancen und Möglichkeiten auf anderen.

Wir starten um 17:30 an der Berliner Allee hinter der Indira-Gandhi-Straße, fahren dann zunächst nach Norden bis hinter die Feldtmannstraße, wenden und fahren zurück bis zum Königstor. Danach besteht die Möglichkeit zu einer Nachbesprechung im Biergarten des Kinos Am Friedrichshain oder der Terrasse des Schönbrunn im Volkspark.

Begrenzter Raum für vielfältige Verkehrsansprüche

Auf der Greifswalder Straße im Prenzlauer Berg gibt es in beiden Richtungen durchgehend einen Schutzstreifen für den Radverkehr. Waren die Schutzstreifen bei ihrer Anlage (vor über 10 Jahren) noch eine willkommene Alternative zu den sonst noch üblichen Hochbordradwegen, zeigte sich schnell, dass sie viel zu schmal und ungeeignet sind, den starken Radverkehr auf dieser Strecke aufzunehmen. Da sie noch dazu häufig zugeparkt oder durch Baustellen zusätzlich eingeengt sind, ist hier dringender Handlungsbedarf gegeben. Die kürzlich erfolgte Grüneinfärbung behebt das Manko der unzureichenden Breite nicht und Radfahrende sind weiter eingezwängt zwischen der Gefahr öffnender Autotüren auf der einen und erheblichem, schnellen Schwerlastverkehr auf der anderen Seite.

zu schmaler Schutzstreifen in der Greifswalder Straße

Nördlich der Gürtelstraße auf der Berliner Allee im Ortsteil Weißensee gibt es auf dem größten Teil der Strecke überhaupt keine Radverkehrsanlagen. Hier müssen sich dann abschnittsweise Tram, motorisierter Individualverkehr (MIV) und Radverkehr den stark verengten Straßenraum teilen – oder auch erkämpfen. Andere Abschnitte werden von einem viel zu schmalen alten Hochbordradweg begleitet, der nicht zuletzt an Einfahrten immer wieder zu Konflikten führt. Immerhin wurde 2020 die Gelegenheit der Fahrbahnsanierung genutzt, um im nördlichsten Abschnitt der befahrenen Strecke Radfahrstreifen anzulegen. Da dies jedoch keine eigenständig geplante Radverkehrsmaßnahme war, blieben die mit Lichtsignal geregelten Knoten zunächst ausgespart.

Die Initiative Aktion Berliner Allee hat detaillierte Ideen zu einer Umgestaltung des Straßenraums im Ortskern Weißensee vorgestellt.

Hochbordradweg an Supermarktausfahrt

neuer Radstreifen auf der Berliner Allee

Die Zählungen für den MIV rangieren zwischen Königstor und Rennbahnstraße je nach Streckenabschnitt zwischen 20 und 30.000 Kfz / Tag. Zu den Radverkehrsmengen liegen uns wie so oft keine Zahlen vor. Da es aber kaum Alternativen für Pendler:innen von und nach Weißensee gibt, ist die Radverkehrsdichte hier sehr hoch. Unklar ist, wie sich eine Realisierung der Ortsumfahrung Malchow, deren Planung von sehr viel größeren Verkehrsmengen als heute ausgeht, auf die innerstädtischen Abschnitte der B2 auswirken würde.

Aktuell sorgen mehrere Baustellen für untypische Situationen: im Ortskern Weißensee gilt stadtauswärts eine Vollsperrung, stadteinwärts drängelt sich der gesamte Verkehr auf einem Fahrstreifen, was die sonst schon übliche Enge weiter verschärft. Südlich der Ostseestraße zeigt dagegen die Führung des Schienenersatzverkehrs (SEV) auf einer breiten Busspur mit Freigabe für den Radverkehr, wie angenehm die Strecke zu befahren sein kann.

Schwierige Querungen und ungünstige Ampelschaltungen für Fuß- und Radverkehr

Die B2 wirkt auf der gesamten befahrenen Strecke als erhebliches Hindernis für querenden Fuß- und Radverkehr. Dies wird auf der Greifswalder Straße durch die gesonderte Tramtrasse auf der Berliner Allee v. a. durch autogerecht gestaltete Kreuzungen noch verschärft, Umwege und lange Rotphasen verlängern eigentlich kurze Wege. Vor allem im nördlichen Teil der Greifswalder Straße und im Ortskern Weißensee ist dies dank der hohen Geschäftsdichte sehr problematisch.

Die leicht versetzten Einmündungen von Christburger Straße und Pasteurstraße verleiten Radfahrende zu illegaler Gehwegnutzung.

An der Einmündung Marienburger Straße gilt eine vorgeschaltete Ampel, die wohl verhindern soll, dass Linksabbieger in die Hufelandstraße die Tram blockieren, unnötigerweise auch für den Radverkehr, hier könnte Radfahrenden sicheres Vorausfahren ermöglicht werden.

Verkehrssicherheit

Der ADFC Berlin musste auf der von uns befahrenen Strecke in diesem Jahr bereits zwei Geisterräder aufstellen. Zwei Radfahrerinnen wurden Opfer rechtsabbigender Lkw. Noch kennen wir keine Details zu den Unfällen, die Erfahrungen mit ähnlich gelagerten Fällen lassen jedoch auch hier fahrlässige Unaufmerksamkeit der Lkw-Fahrer beim Abbiegen vermuten. An beiden Unfallstellen spielten direkte Infrastrukturmängel eine untergeordnete Rolle. Die Verteilung solcher Unfälle auf das Stadtgebiet ist leider recht zufällig, Maßnahmen müssen deswegen an Verhaltensweisen (Überwachung des in der StVO vorgeschriebenen Abbiegens im Schritttempo) und technischer Ausstattung (Abbiegeassistent) ansetzen; eine getrennte Signalisierung kann im Einzelfall unterstützen.

Geisterrad an der Feldtmannstraße Der ADFC Berlin erinnert an die im März 2021 getötete 66-jährige Radfahrerin. Geisterrad in Weißensee

Geisterrad 3/2021 Königstor Im Mai stirbt eine 38-jährige Radpendlerin zwei Wochen, nachdem sie an der Kreuzung mit dem Prenzlauer Berg von einem rechtsabbiegenden Lkw überfahren wurde. Geisterrad am Prenzlauer Berg

Die meisten polizeilich registrierten Unfälle mit Fahrradbeteiligung verlaufen glücklicherweise glimpflicher; in der Liste der Unfallhäufungsstellen (d. h. Unfälle gleichen Typs an einem Knoten) tauchen die Kreuzungen mit der Danziger und der Michelangelostraße ein paar Mal auf; die Unfalldichte auf der Berliner Allee ist deutlich geringer als auf der Greifswalder Straße, das dürfte aber eher darauf zurückzuführen sein, dass hier auf Grund der miserablen Bedingungen deutlich weniger Menschen mit dem Rad unterwegs sind.

Unsere Fragen

  • Wie und wo soll der Straßenraum zugunsten des Radverkehrs umverteilt werden und durch größere Breiten der Radverkehrsanlagen die Sicherheit erhöht werden?
  • Wie soll der Bereich um den Weißen See gestaltet werden? In welchem Zeitrahmen ist eine Neugestaltung machbar?
  • Wie können mehr Lieferzonen eingerichtet und freigehalten werden?
  • Wie kann die Trennungswirkung der Straße abgemildert werden und Querungen sicher gestaltet werden?