Verkehrswende praktisch – 20.09.2021: Berufspendler mit dem Fahrrad

Zusammen mit Kandidat:innen und interessierten Bürger:innen erkunden wir im Wahlkampf 2021 Potenziale und Probleme wichtiger Radstrecken im Bezirk Pankow.

Die Verbindung zwischen Buch über Karow, Blankenburg und Heinersdorf zur „Weißenseer Spitze“ ist für Berufspendler:innen – abschnittsweise oder insgesamt – nicht nur für den motorisierten Individualverkehr (MIV), sondern auch für den ÖPNV und den Radverkehr von großer Bedeutung. Auf unserer dritten Tour suchen wir nach Möglichkeiten, den Radverkehr auf dieser Verbindung zu verbessern.

Wir starten um 17:00 Uhr am S-Bahnhof Buch (an der Straße Am Sportplatz) und befahren die gesamte Strecke bis zum „3-Bezirke-Eck“ zwischen Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee. Den Abschluss bildet eine Nachbesprechung in der „Brotfabrik“ am Caligariplatz.

gpx-Track herunterladen (11,7 km Länge)
An den weiß markierten Stellen soll es Zwischenstopps geben.

Wichtige Strecke zwischen den Ortsteilen

Buch und Karow haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viele neue Einwohner:innen bekommen und sollen weiter wachsen. Auch das geplante Wohngebiet „Blankenburger Süden“ liegt im Einzugsbereich. Viele Anwohner:innen pendeln in die Innenstadt, andere pendeln zum Campus Buch und dem Helios-Klinikum. Auch viele Schüler:innen nutzen diese Verbindung.

Die Strecke Buch – Karow – Blankenburg – Heinersdorf gehört zu den Straßen der Stufe II „übergeordnete Straßenverbindung“, lediglich der Abschnitt von Heinersdorf bis zur Prenzlauer Promenade ist als Stufe III „örtliche Straßenverbindung“ klassifiziert. Die Zahlen für den Kfz-Verkehr unterstreichen die Bedeutung: Zwischen Buch und Heinersdorf wurden 2019 etwa 10–15 000 Kfz/Tag gezählt – ein Fünftel weniger als die B96a (Grabbeallee oder Mühlenstraße), etwa gleich wie am Rosenthaler Weg oder am Straßenzug Grellstr.–Wichertstr.–Schivelbeiner Str.–Behmstr.

Auf der anderen Seite nutzen Beschäftige des Campus Buch und des Helios-Klinikums den MIV nur zu 20 % für den Weg zur Arbeit, aber ein deutlich größerer Anteil Rad und ÖPNV.

Der Zustand dieser Verbindung wird der Bedeutung nicht gerecht. Obwohl die Strecke seit 1995 in größeren Teilen neu geplant und ausgebaut wurde, hängt der ÖPNV (Bus 150, 158) mitten im MIV fest. Der geplante Panke-Trail kann die Bedürfnisse des Radverkehrs teilweise abdecken, aber bis diese Radschnellverbindung eingerichtet wird, wird es noch lange dauern. Eine vollwertige Radverkehrsinfrastruktur gemäß § 43 MobG fehlt.

(1) Auf oder an allen Hauptverkehrsstraßen sollen Radverkehrsanlagen mit erschütterungsarmem, gut befahrbarem Belag in sicherem Abstand zu parkenden Kraftfahrzeugen und ausreichender Breite eingerichtet werden. Diese sollen so gestaltet werden, dass sich Radfahrende sicher überholen können. Aus Sicherheitsgründen sollte sowohl auf gemeinsam geführte Geh- und Radwege als auch auf zur Nutzung durch den Radverkehr freigegebene Gehwege möglichst verzichtet werden. Bei Radwegen auf Gehwegniveau ist auf eine für alle klar erkennbare Trennung von Radweg und Gehweg zu achten.

Wir wollen sehen, welche Arten von Radverkehrsanlagen (RVA) es auf dieser Strecke gibt. (Aus praktischen Gründen beschränkt sich dieser Artikel auf die Fahrtrichtung stadteinwärts. Für die Gegenrichtung gibt es im Wesentlichen die gleichen Probleme, nur örtlich etwas unterschiedlich.)

Radstreifen und andere Radverkehrsanlagen

Wir treffen auf unterschiedliche Arten von Infrastruktur für den Radverkehr.

Vollwertige Radverkehrsanlagen: Radweg, Radstreifen oder dergleichen mit „ausreichender Breite zum sicheren Überholen“, also mit mehr als 2,00 m Breite und genügend Abstand zum Kfz-Verkehr? Auf der gesamten Strecke Fehlanzeige.

Radstreifen: Diese gibt es an mehreren, eher kürzeren Abschnitten, in der Regel als Schutzstreifen mit einer Breite von 1 bis 1,50 m.

Schutzstreifen in Alt-Karow [rechts] und Alt-Blankenburg [links]

Schutzstreifen werden in der verkehrspolitischen Diskussion häufig abqualifiziert mit der Bemerkung: „Farbe ist keine Infrastruktur.“ Die Akzeptanz durch Kraftfahrer:innen kann durch farbige Kennzeichnung verbessert werden. Wir finden sie auf dieser Strecke in Buch (Wiltbergstraße), Alt-Karow (Bild rechts) und Alt-Blankenburg (Bild links). In Alt-Karow hat das Bezirksamt den Schutzstreifen vor wenigen Wochen mit Grünmarkierung versehen lassen – eine spürbare Verbesserung, die leider unmittelbar an der Bahnhofstraße endet.

Blankenburg [Krugstege] vor Bahnhofstraße

Nur auf einem kurzen Abschnitt zwischen Alt-Blankenburg und der Bahnhofstraße ist aus Sicherheitsgründen Benutzungspflicht angeordnet.

Bussonderstreifen (Busspuren), die für den Radverkehr freigegeben sind, sind im engeren Sinn keine RVA; sie ermöglichen aber, den Verkehrsfluss des Umweltverbundes auch bei Stau aufrechtzuerhalten. Es gibt sie nur an zwei Stellen:

Busspur, Radverkehr frei in Alt-Blankenburg In Alt-Blankenburg vor der Kirche

Busspur, Radverkehr frei Am Steinberg In der Straße Am Steinberg zwischen Tino-Schwierzina-Straße und Prenzlauer Promenade.

Wahlfreie Benutzung von Radwegen

Wenn ein Weg als Radweg erkennbar ist (z. B. durch gefärbte Steine und Trennung vom Gehweg), jedoch nicht mit einem „blauen Schild“ als benutzungspflichtig gekennzeichnet ist, dürfen Radfahrende ihn benutzen, sie dürfen aber ebenso auf der Fahrbahn fahren. Diese Wahlfreiheit ist vor allem für sicher und zügig fahrende Radfahrer:innen wichtig.

Diese Situation gibt es mehrfach, aber immer nur auf kürzeren Abschnitten. In allen Fällen fehlen Hinweise oder Markierungen, dass der Radverkehr auch die Fahrbahn benutzen darf.

In Karow (Bucher Chaussee) zwischen Achillesstraße und Schönerlinder Weg: An der Achillesstraße weist die rot markierte Furt für den Radverkehr zur Fortsetzung auf dem Radweg hin. Hinter dem Schönerlinder Weg wird der Radweg in den Schutzstreifen Alt-Karow übergeführt.

In Karow (Blankenburger Chaussee) zwischen der Grundschule und der Beuthener Straße: Die Auffahrt auf den Radweg ist gleichzeitig Zufahrt zur Schule und Ausfahrt vom Parkplatz – also grundsätzlich kollisionsgefährdet. An der Beuthener Straße wird der Radweg als „Gehweg, Radverkehr frei“ fortgeführt.

In Blankenburg (Karower Damm) zwischen Treseburger Straße und Alt-Blankenburg: Hinter der Sellheimbrücke gibt es eine deutliche Rotfärbung als Hinweis zur Weiterfahrt auf dem Radweg (Achtung vor Lkw-Verkehr). Dieser Radweg geht nahtlos in den Schutzstreifen Alt-Blankenburg über (siehe Bild weiter oben bei Radstreifen bzw. Schutzstreifen).

In Blankenburg (Krugstege) zwischen Bahnhofstraße und Blankenburger Pflasterweg: Dieser kurze Abschnitt ist die direkte Verlängerung des benutzungspflichtigen Radwegs und bietet eine Umfahrung des Staus für den Kfz-Verkehr und der Bushaltestelle. An der nächsten Ampel gibt es die Überfahrt zum Blankenburger Pflasterweg und die Weiterführung als „Gehweg, Radverkehr frei“.

In Heinersdorf (Blankenburger Straße) bekommt der Radverkehr, der vorher „Gehweg, Radverkehr frei“ befährt, auf dem letzten Abschnitt vor der Malchower Straße einen minimalen Radweg. Der Weg endet auf der Fahrbahn.

Gehwege mit „Radverkehr frei“

Das ist keine Radverkehrsanlage! Radfahrende sind keinesfalls verpflichtet, dort zu fahren; im Gegenteil: Wer wegen mangelnder Übung oder gefühlter Unsicherheit einen solchen Gehweg benutzt, muss Schrittgeschwindigkeit einhalten, auch wenn es gerade keinen Fußverkehr gibt. Das ist eine Notlösung für einen Teil der Radfahrenden, aber nicht geeignet für Pendler:innen, die zügig vorankommen wollen und müssen.

Diese Situation haben wir auf dem größten Teil dieser Strecke. Früher waren alle diese Abschnitte als gemeinsame Geh- und Radwege mit Benutzungspflicht ausgeschildert. Aber weder ist die Mindestbreite von 2,50 m gegeben, noch war es aus Sicherheitsgründen erforderlich, die Benutzung der Fahrbahn durch Radfahrende zu verbieten. Stattdessen haben wir jetzt überwiegend diese Notlösung mit Schrittgeschwindigkeit.

In Buch und Karow zwischen Lindenberger Weg und Achillesstraße: An der Einmündung des Lindenberger Wegs beginnt dieser Abschnitt. Buch – Karower Chaussee

An der Wolfgang-Heinz-Straße sieht es so aus, als ob die Rotmarkierung den Weg für Radfahrende fortsetzt; tatsächlich ist es dahinter nur ein Gehweg. Erst von der Haltestelle Nerthusweg an gibt es eine erneute Freigabe des Gehwegs. Buch – Wolfgang-Heinz-Straße

In Karow gibt es einen freigegebenen Gehweg zwischen Beuthener Straße (siehe Bild oben: Ende der Wahlfreiheit) und Straße 39 vor der Sellheimbrücke:

Zwischen Blankenburg und Heinersdorf gibt es diese Situation auf 2,5 km Länge an der Heinersdorfer Straße und der Blankenburger Straße auf beiden Seiten durchgehend vom Blankenburger Pflasterweg bis etwa Straße 30. Unterwegs bringen Seitenstraßen, Einmündungen in Kleingartenanlagen und Grundstückszufahrten immer wieder Unsicherheit und Gefährdung. Das Bild zeigt links (für die Gegenrichtung) die „normale“ Situation und dazu eine besondere Engstelle rechts, wo an der Zufahrt zur Heinersdorfer Straße 73–85 zwei große Bäume die Durchfahrt fast unmöglich machen.

Abschnitte ohne jede Infrastruktur für den Radverkehr

Alle verbleibenden Strecken sehen für alle Fahrzeuge Mischverkehr vor. Es gibt keine (legale) Möglichkeit für Radfahrende, sich dem zu entziehen.

Die Situationen in Buch (Karower Chaussee) und in Karow (Blankenburger Chaussee) von der Bahnhofstraße bis zur Zufahrt der Schule sowie auf der Sellheimbrücke zwischen Karow und Blankenburg werden in Bildern oben illustriert.

In Heinersdorf liefert die Doppelkreuzung an der Romain-Rolland-Straße (Blankenburger Straße und Tino-Schwierzina-Straße) ein Musterbeispiel, wie gerade an einem Knotenpunkt die Bedürfnisse der Radfahrenden nicht mitgedacht werden. Seit Jahren wird nach einer Lösung der Heinersdorfer Verkehrsprobleme gesucht; vielleicht wird mit der Anbindung des Wohngebiets „Blankenburger Süden“ in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren ein Fortschritt gefunden.

In der Tino-Schwierzina-Straße wird das Kopfsteinpflaster neben dem Tram-Gleis auch von Kfz-Fahrer:innen als Zumutung empfunden, umso mehr gilt das für Radfahrer:innen. Der folgende Abschnitt bis Am Steinberg sieht besser aus; aber die verfügbare Breite zwischen den parkenden Autos und dem Bahnkörper der Tram genügt nicht dazu, dass der Sicherheitsabstand sowohl für Radverkehr neben dem Parkstreifen als auch für Kfz-Verkehr beim Überholen eingehalten wird.

Zum Abschluss unserer Fahrt verzichten wir auf die Fahrt über die Prenzlauer Promenade, sondern nutzen stattdessen die Heinersdorfer Straße mit Querung der Langhansstraße. Dabei handelt es sich um eine reine Wohnstraße mit Beschränkung auf Tempo 30 (als Sackgasse am südlichen Ende). Für solche Straßen sind von vornherein keine RVA vorgesehen (wozu auch).

Spezialproblem Caligariplatz

Gesucht wird eine legale Fortsetzung an der Weißenseer Spitze für den Radverkehr aus Nordosten (Heinersdorfer Straße bzw. Gustav-Adolf-Straße) nach Süden. Zwischen Caligariplatz und Ostseestraße verbleibt eine Strecke zum Schieben von gut 100 m. Die Breite des Seitenraums würde für Zweirichtungsführung auf diesem Abschnitt ausreichen. Zusätzliche Gefährdung besteht durch freie Rechtsabbieger am Abzweig Gustav-Adolf-Straße.

Situation am Caligariplatz – mögliche Verbindungen

Seit 2003 gibt es nach dem Rückbau einer Fußgängerquerung die Notwendigkeit und „Behörden-Pingpong“ zwischen verschiedenen Dienststellen, wie Radfahrende diesen Abschnitt sicher und legal durchfahren können. Bisher wurden alle Vorschläge von der VLB abgelehnt.

Die „Regeln“ für unsere Fahrt

Wir wollen die Bedingungen für Pendler:innen nachvollziehen. Wir nutzen deshalb alle Möglichkeiten für legales, zügiges Fahren. Das bedeutet:
  • Strecken mit „Gehweg, Radverkehr frei“ werden nicht befahren; Gehwege ohne Freigabe sind erst recht tabu. An diesen Strecken nutzen wir die Fahrbahn.
  • Benutzungspflichtige Abschnitte sowie Bus- und Schutzstreifen werden natürlich benutzt.
  • Wahlfreie Radwege dürfen im Alltag natürlich frei gewählt werden. Auf unserer Fahrt benutzen wir zwischen Sellheimbrücke und Alt-Blankenburg sowie in Blankenburg (Krugstege) zwischen Bahnhofstraße und Blankenburger Pflasterweg den Radweg; bei den anderen Abschnitten fahren wir auf der Fahrbahn.

Ampeln muss jede/r selbst beachten. Notfalls warten wir hinter einer Kreuzung auf „Nachzügler:innen“.

Unterbrechungen der Fahrt für Fragen und Anmerkungen haben wir an folgenden Stellen vorgesehen:
  1. Alt-Karow zwischen Frundsbergstraße und Bushaltestelle
  2. Zwischen Karow und Blankenburg vor der Sellheimbrücke
  3. Alt-Blankenburg auf der Fläche hinter der Bushaltestelle
  4. Heinersdorf hinter beiden Ampeln am Anfang der Tino-Schwierzina-Straße

Außerdem wollen wir dort auf Besonderheiten des jeweils nächsten Abschnitts hinweisen.

Unsere Fragen

  • Welche grundsätzlichen Möglichkeiten sehen Sie, die Situation für den Radverkehr auf dieser Strecke zu verbessern?
  • An welchen Abschnitten halten Sie eine vollwertige RVA (mit 2,50  m Breite ausreichend zum Überholen) an oder neben der Fahrbahn für möglich?
  • Im Entwurf des Radnetzes ist die Strecke von Buch bis zur Sellheimbrücke als Teil des Vorrangnetzes geplant, die Fortsetzung nur als Teil des Ergänzungsnetzes. Wie möchten Sie diese Verbindung in die Netzplanung einbinden?
  • Unterstützen Sie für Abschnitte, in denen eine sichere RVA nicht möglich ist, die Idee einer Beschränkung auf Tempo 30, um die Sicherheit des Radverkehrs gegenüber dem Kfz-Verkehr zu vergrößern? Wenn ja, wie schätzen Sie die rechtliche Durchsetzbarkeit einer solchen Maßnahme ein?