­Königsteinbrücke wird für Radverkehr im Nordosten dringend gebraucht

Die Königsteinbrücke "Foto Boonekamp":https://commons.wikimedia.org/wiki/File:KoenigsteinbrueckeF0095.JPG
Die Königsteinbrücke

Nachtrag: Seit dem 31. März 2021 ist die neue Fuß- und Radbrücke wieder befahrbar. Leider lässt die Asphaltqualität an den Rampen stark zu wünschen übrig. Das Bezirksamt Pankow versucht hier noch vom Bauherren – der Autobahngesellschaft des Bundes – eine Nachbesserung zu erwirken.


Im Sommer 2018 droht eine 18-monatige Vollsperrung der Pankower Königsteinbrücke über die A 114. Diese Fuß- und Radverkehrsbrücke ist nicht nur für die Verbindung von Französisch-Buchholz nach Karow von lokaler, sondern als Teil des Radfernweges Berlin-Usedom für den Tourismus und Radpendler nach Buch auch von überbezirklicher Bedeutung. Die bisher vorgesehene Umleitungsmaßnahme ist derzeit nicht akzeptabel, sinnvolle Alternativen sind dringend gesucht.

Autobahn, S- und Regional- bzw. Fernbahngleise zerschneiden den Norden des Bezirks Pankow in zahlreiche Inseln. Brücken und Unterführungen sind hier von zentraler Bedeutung für die Nahmobilität innerhalb des Bezirks. Die Königsteinbrücke ermöglicht eine sehr nützliche Querverbindung für Radfahrende zwischen den Ortsteilen Französisch-Buchholz und Karow.

Lokale Verbindung und Radfernweg Berlin-Usedom / RR6

Gleichzeitig gibt es für den Radverkehr von und nach Buch und Bernau fast nur den touristischen Radfernweg Berlin-Usedom. Auch die (noch nicht fertiggestellte/ausgeschilderte) Radialroute 6 des Fahrradroutenhauptnetzes vom Schloßplatz nach Buch/Bernau soll über diesen Radfernweg verlaufen und dient als einigermaßen bequeme und gut befahrbare Nord-Süd-Verbindung. Der Radfernweg Berlin-Usedom ist für den Radtourismus von enormer Bedeutung. Als einer von neun Radfernwegen führt er vom Schlossplatz quer durch Mitte, Prenzlauer Berg und Pankow zur nördlichen Stadtgrenze und weiter durch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nach Usedom. Die touristische Bedeutung wird deutlich, schaut man auf Zahlen aus Brandenburg: So sind jährlich rund 15.000 Radtouristen auf dem Berlin-Usedom unterwegs, der damit zu den wichtigsten touristischen Routen in Brandenburg zählt – übertroffen nur von den Radfernweg entlang der Elbe und Berlin-Kopenhagen. Zu diesen Radtouristen im engeren Sinne (Radwanderer) kommen noch etliche weitere Radler, die den Radfernweg nur abschnittsweise fahren (Regioradler) sowie Tagestouristen und Alltagsradler.

Die westliche Rampe Königsteinbrücke auf dem Berlin-Usedom-Radweg - ab Mitte 2018 ist die Brücke über die Autobahn für 18 Monate gesperrt. Die westliche Rampe Königsteinbrücke auf dem Berlin-Usedom-Radweg – ab Mitte 2018 ist die Brücke über die Autobahn für 18 Monate gesperrt.

Auch von den gut 3.000 Angestellten des Campus Buch und den noch einmal so vielen Angestellten, Studierenden und Besucher*innen am benachbarten Klinikstandort nutzen viele das Fahrrad. Wer aus Pankow oder der Innenstadt kommt, passiert dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich die Königssteinbrücke. Der Campus Buch setzt dabei stark auf aktive Mobilität. Trotz der Lage am Stadtrand kommen nur ca. 20 % der Beschäftigten mit dem Auto, die Übrigen nutzen den ÖPNV, das Fahrrad oder eine Kombination aus beidem. Bei der Aktion: “Wer radelt am meisten” belegte der Campus Buch 2016 den ersten, 2017 den dritten Platz . Marion Rösch, Mitarbeiterin am Forschungscampus: „Mit dieser Sperrung werden wir beim Wer-radelt-am-meisten Wettbewerb der Berliner Firmen in diesem Jahr nicht gewinnen.“

„Der Pankeradweg ist für mich eine wichtige Alternativroute zu den vollen Straßen und zum oft unterbrochenen öffentlichen Nahverkehr.“ Dr. Stefanie Herda, Wissenschaftlerin am ECRC auf dem Forschungscampus Buch

„Ich pendele nun schon seit einigen Jahren von Pankow nach Buch zur Arbeit. Um nicht mehr von Bus und Bahnen abhängig zu sein, bin ich vor anderthalb Jahren aufs Fahrrad umgestiegen und radele begeistert bei Wind und Wetter. S-Bahn-Verspätungen oder angekündigter Schienenersatzverkehr lassen mich kalt. Auch viele Arbeitskollegen kommen mittlerweile bevorzugt mit dem Rad zur Arbeit. Doch nun sollen Baumaßnahmen an der Königsteinbrücke unseren Arbeitsweg versperren. Hier muss dringend eine Ersatzlösung gefunden werden, denn auch die S-Bahn hat neue Baumaßnahmen angekündigt.“ Dr. Kathleen Anders, Wissenschaftlerin am MDC auf dem Forschungscampus Buch.

Daneben ist die Königsteinbrücke auch eine lokale Verbindung zwischen den Ortsteilen Blankenburg sowie Karow und Französisch-Buchholz über die die Siedlungsgebiete zerschneidende Autobahn. Für viele Schüler*innen aus Französisch-Buchholz ist die Brücke Teil des Schulwegs zum Robert-Havemann-Gymnasium in Karow.

Vollsperrung im Zuge der Erneuerung der A114

Die geplanten Baumaßnahmen an der Autobahn beinhalten auch Ersatzneubauten für fünf von acht Brücken auf der Strecke, darunter auch die Königsteinbrücke. Soviel geht aus den von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz im Internet veröffentlichten Angaben hervor. Seit Herbst 2017 gab es Hinweise, dass dafür mit einer langen Komplettsperrung der Königsteinbrücke gerechnet werden muss. Während der Zeit der Bauarbeiten auf der A 114 wird es nicht nur für Autofahrende im Großraum Pankow Einschränkungen geben – auch auf der Stettiner Bahn werden aufgrund der Bauarbeiten am Karower Kreuz mehrere Wochen Pendel- sowie Schienen-Ersatzverkehre für die S- und Regionalbahn eingerichtet. Im November beschloss die Bezirksverordnetenversammlung Pankow einen Antrag der CDU-Fraktion, nach dem versucht werden soll, dass „die geplante Sperrung der Königsteinbrücke so kurz wie möglich erfolgt“. Dem Bezirksamt lagen während der Diskussion des Antrags im Pankower Verkehrsausschuss keine Informationen zur Sachlage vor. Der ADFC Pankow erfuhr erst nach telefonischer Anfrage bei SenUVK, dass tatsächlich eine Komplettsperrung für 18 Monate ab Mitte 2018 geplant ist. Die vorgesehene Umleitung – immerhin gibt es hierfür einen Plan – soll über den knapp einen Kilometer weiter südlich gelegenen Hebammensteig und die gleichnamige Brücke führen. Beide Brücken werden als Fußgängerbrücken geführt. Aufgrund dessen lag für die Verwaltung die Führung der Umleitungsstrecke über die Hebammensteigbrücke auf der Hand – eine Fußgängerbrücke ist ja so gut wie die andere.

Offizielle vorgesehene Umleitung für Radverkehr unzumutbar

Vorsicht - Treppe voraus! Vorsicht – Treppe voraus!

Der Hebammensteig ist jedoch tatsächlich eine Fußgängerbrücke mit einer Treppe auf der Ostseite. Die ist zwar durch eine Schieberinne für Radfahrende nicht ganz unüberwindbar, dennoch ist ein solches Hindernis für einen längeren Zeitraum nicht akzeptabel. Insbesondere Radfahrende mit Anhängern oder mehrspurigen Fahrrädern können die Treppe vermutlich gar nicht nutzen. Die östliche Rampe der Hebammensteigbrücke: Berlins offizielle Umleitungsstrecke für einen touristischen Radfernweg. Die östliche Rampe der Hebammensteigbrücke: Berlins offizielle Umleitungsstrecke für einen touristischen Radfernweg.

Doch damit nicht genug, sind auch die Burgwallstraße und der südliche Abschnitt der Flaischlenstraße als weitere Umleitungsstrecke östlich der A 114 für den Radverkehr komplett ungeeignet. Grobes Kopfsteinpflaster macht das Befahren hier über eine Länge von fast einem Kilometer zu einem durchrüttelnden Erlebnis und im Seitenraum gibt es lediglich schmale unbefestigte Gehwege…

Die Burgwallstraße: Berlins offizielle Umleitungsstrecke für einen touristischen Radfernweg. Die Burgwallstraße: Berlins offizielle Umleitungsstrecke für einen touristischen Radfernweg.

“Aus touristischer Sicht ist die Umleitungsstrecke völlig inakzeptabel und würde die Radtouristen dazu zwingen, die Tour auf dem Radfernweg Berlin-Usedom erst hinter der Stadtgrenze in Brandenburg starten zu lassen. Für Berlin bedeutet das neben einem Imageschaden auch gewaltige Umsatzeinbußen aus dem Radtourismus.” Maike Berndt, ADFC-Fachreferentin für Tourismus

Für den Alltags- und für den touristischen Verkehr ist diese Streckenführung ohne Nachbesserungen keinesfalls akzeptabel. Die vorgeschlagene Umleitungsstrecke über den Hebammensteig wäre nur dann tolerierbar, wenn die Treppe auf der Ostseite durch eine auch für Mehrspurfahrräder nutzbare Rampe aufgewertet wird und die weitere Strecke durch eine (Teil-)Asphaltierung, mindestens aber ein Ausgießen der Fugen, befahrbar gemacht wird.

Die Flaischlenstraße: Berlins offizielle Umleitungsstrecke für einen touristischen Radfernweg. Die Flaischlenstraße: Berlins offizielle Umleitungsstrecke für einen touristischen Radfernweg.

Auf der Suche nach Alternativen

Alternative 1: Behelfsbrücke

Die unbestritten beste, aber vermutlich auch teuerste Lösung wäre der Verzicht auf die Vollsperrung der Königsteinbrücke und die Einrichtung einer Behelfsbrücke während der Bauzeit. Dieses Vorgehen ist für die weiter nördlich gelegene Straßenbrücke Bucher Straße selbstverständlich vorgesehen – jedoch für den sehr viel umwegempfindlicheren Fuß- und Radverkehr ist nichts dergleichen angedacht. Warum eigentlich nicht?

Alternative 2: Umleitung über die Blankenburger Bahnhofsstraße

Verlauf des Berlin-Usedom-Radfernweges in Berlin-Blankenburg. Verlauf des Berlin-Usedom-Radfernweges in Berlin-Blankenburg (lila), die offizielle Umleitungsstrecke (rot) und die Route der Alternative 2 (grün). © OpenStreetMap-Mitwirkende

Als weiträumigere Umfahrung für Pendler*innen und Touristen auf dem Berlin-Usedom-Radfernweg käme auch eine Umleitung über die Bahnhof-/Rudelsburg-/Königsteinstraße in Frage. Diese würde vollständig über asphaltierte Strecken führen. Diese Variante hat jedoch gleich mehrere Haken:
  • Dem lokalen Rad- und radelnden Schüler*innenverkehr, insbesondere zum Robert-Havemann-Gymnasium, wäre dieser mehr als 4 km längere Umweg über die Umleitung nicht zumutbar.
  • Die Bahnhofstraße verfügt nur auf der Nordseite über einen (viel zu schmalen) Radweg. Für weitere Radverkehrsanlagen ist derzeit kein Platz und Autofahrende reagieren schon jetzt oft aggressiv auf die wenigen Radfahrenden, die dort unterwegs sind.
  • An der Einmündung der Rudelsburgstraße müsste eine gesicherte Querungsmöglichkeit geschaffen werden.
  • Die Rudelsburgstraße dient als einzige Erschließungsstraße für das gesamte Wohngebiet. Sie ist sehr schmal und ist aufgrund des nahen S-Bahnhofes einem hohen Parkdruck ausgesetzt. Ein zügiges Vorankommen für Radfahrende ist hier schwierig. Bei einer temporären Verlagerung des Berlin-Usedom-Radfernweges könnte hier die Einrichtung einer Fahrradstraße den Vorrang des Radverkehrs deutlich machen. Auch nach Abschluss der Bauarbeiten könnte darüber der Anschluss des neuen Wohngebiets Blankenburger Süden an den einzigen nach Norden führenden Berlin-Usedom-Radfernweg hergestellt werden.

Eine Umleitung über die nördlich gelegene Straßenbrücke der Bucher Straße über A114 kommt aus unserer Sicht nicht in Frage. Hier wird zeitgleich gebaut, die Straße ist aufgrund des direkten Autobahnanschlusses stark befahren und es gibt keinerlei Radverkehrsführung.

Alternative 3: Erst die Hebammensteigbrücke und dann die Königsteinbrücke sanieren

Wie auf den Plänen und dieser Visualisierung bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zu erkennen, soll die Hebammensteigbrücke im Zuge der Sanierung eine barrierearme östliche Rampe erhalten. Die Rampe wird dann so für Radfahrende mit Anhängern oder mehrspurigen Fahrrädern nutzbar. Leider wird die Hebammensteigbrücke den Plänen zufolge erst nach der Königsteinbrücke saniert – und damit zu spät, um als brauchbare Ersatzroute für die zuerst zu sanierende Königsteinbrücke genutzt werden können.

Alternative 4: Nutzung der Pankeunterführung unter der A 114

Verlauf des Berlin-Usedom-Radfernweges in Berlin-Blankenburg (lila) und eine weitere mögliche Alternativroute (grün). © OpenStreetMap-Mitwirkende

Eine weitere mögliche Umleitungsstrecke ist entlang der rechten Seite der Panke denkbar. Die Radfahrenden würden dann kurz vor der westlichen Rampe der Königsteinbrücke links Richtung Panke abbeigen, um auf der rechten Seite der Panke die A 114 zu unterqueren. Auf Höhe der Krontaler Straße wechseln sie dann über die bereits bestehende Pankebrücke auf die alte Strecke. Für diese Führung müssten allerdings die von und zur Unterführung führenden Wege und diese selbst für den Radverkehr ertüchtigt werden. Für den Fußverkehr war das im Vorfeld der Baumaßnahmen 2016 vorgeschlagen worden, wurde damals jedoch leider aus Kostengründen abgelehnt.

Die Panke unter der A 114. Rechts der Verbindungsweg zur bestehenden Pankebrücke an der Krontaler Straße.

Fazit

Bahnhofstraße in Berlin-Blankenburg Bahnhofstraße in Berlin-Blankenburg: Als Umleitungsstrecke für einen touristischen Radfernweg kaum geeignet. (Foto: Boonekamp)

Noch sind einige Monate Zeit bis zum Beginn der Baumaßnahmen. Diese Zeit muss jetzt genutzt werden, um sinnvolle und notwendige Maßnahmen zur Führung des Radverkehrs während der 18-monatigen Sperrung vorzubereiten und durchzuführen. Eine sinnvolle Lösung wäre auch, erst die Hebammensteigbrücke und erst daraufhin die Königsteinbrücke zu sanieren. Bleibt es jedoch bei der offiziellen Umleitungsroute, wird nicht nur der lokale Radverkehr, sondern auch der radelnde Pendlerverkehr unzumutbar und unnötig stark beeinträchtigt. Und das Bild, das Berlin während der kommenden zwei Sommerhalbjahre touristisch Radfahrenden auf dieser wichtigen Relation nach Norden bietet, wäre alles andere positiv. Radfahrende auf der Königsteinbrücke