Problematische Baustellen in Pankow

Baustelle blockiert Zwei-Richtungs-Radweg

Berlin ist eine Stadt, die immer im Werden ist und niemals fertig wird. Baustellen gehören zwangsläufig dazu und vermitteln den Eindruck, dass es irgendwann einmal besser wird. Mindestens seit 2013 soll der Radverkehr an Baustellen sinnvoll geführt und nicht mehr als unbedingt notwendig beeinträchtigt werden. Doch die Wirklichkeit sieht immer noch anders aus.

Gemäß Radverkehrsstrategie von 2013 müssen die Belange des Radverkehrs bei allen Maßnahmen im öffentlichen Straßenraum angemessen berücksichtigt werden; dies gilt auch „für die Verkehrsabwicklung an Baustellen und bei Umleitungen“. Das Mobilitätsgesetz vom Juni 2018 schreibt genauer vor: „Beschränkungen des verfügbaren Straßenraums sollen nicht zu Lasten des Umweltverbundes erfolgen“ – gemeint sind Fußgänger, Radfahrer und ÖPNV.

Bei aktuellen Baustellen hat man dagegen den Eindruck, als wenn die beteiligten Stellen (Verkehrsbehörden, Auftraggeber, Aufsteller von Schildern, Baufirmen) davon noch nichts gehört hätten. (Neuere Beispiele stehen am Anfang.)

Wilhelmsruh / Kopenhagener Straße

Zunächst führt der nicht benutzungspflichte (Hochbord-)Radweg zusammen mit dem Fußweg vor Wohnhäusern entlang. Wegen einer Baustelle ist der Radweg seit einigen Wochen blockiert. Für die weitere Streckenführung auf der Fahrbahn sind neben akrobatischen Fähigkeiten gute Bandscheiben gefragt.

Wechsel vom Hochbord-Radweg auf die Fahrbahn

Los geht es mit einem kühnen Sprung über einen Stapel Gehwegplatten oder wahlweise zwischen einem Baum und mehreren Verkehrsschildern hindurch auf die Straße.(Fotos: S. Hauser)

Ende der Umfahrung direkt an der Bordsteinkante

Beendet wird die Umfahrung mit einen mutigen Sprung über eine ca. 15 cm hohe Bordsteinkante und einer schnellen Lenkbewegung nach links vor dem Parkplatz.

Es fehlt die Verbindung zwischen dem „normalen‟ (Hochbord-)Radweg und dem (Ersatz-)Radfahrstreifen auf der Fahrbahn, und zwar als Markierung, mit Wegweisern und vor allem als Überfahrt über die Bordsteinkante hinweg. Das könnte ein Mangel der Genehmigung oder der verkehrsrechtlichen Anordnung sein, aber auch eine Missachtung durch eine der beteiligten Baufirmen. Auf jeden Fall kann von den Behörden erwartet werden, dass dieser Unfug schnellstmöglichst beseitigt wird.

Schönhauser Allee / Eberswalder Straße

Eine aktuelle (Not-)Baustelle der Wasserbetriebe führt zu einer verwirrenden Streckenführung und Beschilderung.

Die Baustelle an der Ecke Schönhauser Allee / Eberswalder Straße

Die Baustelle blockiert unmittelbar an der Ampel sowohl den (Hochbord-)Radweg als auch die Fahrspur, die normalerweise vor allem vom rechtsabbiegenden Kraftverkehr genutzt wird.

Zwangsläufig kann der Radverkehr nicht den (hier benutzungspflichtigen) Radweg nutzen. Dazu wird der Anfang der Baustelle entsprechend abgetrennt und beschildert:

Der Anfang der Baustelle an der Ecke Schönhauser Allee / Eberswalder Straße mit Beschilderung

Das sollte wohl eine Herausforderung für die Betreiber der Baustelle sein, alle Verkehrsschilder mit Fahrrad-Symbol gleichzeitig unterzubringen. Für die Radfahrer*innen liegt die Herausforderung darin, innerhalb kürzester Zeit die korrekte Verkehrsführung zu erkennen:

  • Zeichen 237 (am rechten Bildrand) ordnet die Benutzungspflicht für den Radweg an.
  • Zeichen 254 (in der Bildmitte) verbietet fünf Meter später das Radfahren vollständig.
  • Zeichen 138 (links an der Begrennzung der Baustelle) weist den Kraftverkehr auf „Achtung, Radfahrer!‟ hin.

Nach rechts auf den Gehweg auszuweichen ist natürlich unzulässig. Der Gehweg, der sowieso nicht sehr breit ist, ist den schwächsten Verkehrsteilnehmern, also den Fußgängern vorbehalten. Radfahrer*innen dürfen auch bei eigener Behinderung keinesfalls die Fußgänger*innen behindern oder gefährden.

Der Benutzungspflicht zu folgen ist natürlich absurd, wenn der Weg unmittelbar dahinter blockiert ist. Dieses Schild hätte also unbedingt verhängt werden müssen. Über den Sinn des Verbotsschilds kann gestritten werden: Die Weiterfahrt auf dem Radweg ist sowieso unmöglich; aber wollen die Aufsteller des Schildes das Fahren in diesem Bereich überhaupt verbieten?

Kraftverkehr und Radverkehr auf einer einzigen Fahrspur Vermutlich sollen die Radfahrer*innen gemeinsam mit den Kraftfahrzeugen die einzige verbleibende Fahrspur nutzen, wie das Achtung-Schild zeigt. Solange der Verkehr an der Ampel steht, ist das Einordnen eher unproblematisch, auch wenn das „Vorbeischlängeln‟ eher kritisch zu bewerten ist. Schwieriger ist es im fließenden Verkehr. Da wären weitere Hinweise angebracht: gelbe Markierungen für den Radverkehr und mindestens ein weiteres Achtung-Schild etwa dort, wo das Einfädeln angekündigt wird.

Vielleicht glauben diejenigen, die diese Baustelle eingerichtet haben, dass es für ein paar Tage nicht so genau darauf ankäme. Eine allseits befriedigende Lösung kann es schon wegen der Örtlichkeit nicht geben. Um so wichtiger wären Leitlinien der Senatsverwaltung für Baustellen, damit die Bedürfnisse der Radfahrer*innen den Verantwortlichen „automatisch‟ bewusst sind.

Nachtrag 1 (19.03.2019): Frage an einen Bauarbeiter: „Haben Sie eine Ahnung, wie lange die Bauarbeiten etwa dauern werden?‟ Antwort: „Nein, tut mir leid, bisher haben wir noch nicht einmal die Ursache des Schadens gefunden.‟

Nachtrag 2 (Datum unklar): Die Verkehrsführung wurde geändert: Der Gehweg wurde mit gelber Markierung aufgeteilt in einen schmalen Radweg und einen schmalen (Rest-)Gehweg; für diesen Radweg wurde Benutzungspflicht festgelegt (fälschlich mit Zeichen 240 statt 241-30). – Man kann darüber streiten, ob eine Maßnahme für den Radverkehr wirklich zulasten des Fußverkehrs gehen soll; aber wenn man den geringen Platz bedenkt, ist es zumindest eine angemessene Lösung (abgesehen von dem falschen Verkehrszeichen).

Die spätere Verkehrsführung auch nach Abschluss der Bauarbeiten

Nachtrag 3 (nach dem 16.04.2019): Die Baustelle ist endlich abgeschlossen, der Radweg und die Fahrspuren sind wieder frei. Aber die Verkehrsführung der letzten Wochen wurde noch nicht aufgehoben (erledigt etwa am 02.05.2019).

Greifswalder Straße / Hufelandstraße

In unrühmlicher Erinnerung ist die berüchtigte Verkehrsführung in der Greifswalder Straße vom Juni 2018. Das ursprüngliche Video ist nicht mehr zugänglich; aber der Tweet der VIZ Berlin zeigt noch die unmögliche sowie die entschärfte Verkehrsführung.

An fast gleicher Stelle wurde nach dem 26.01.2019 eine neue Baustelle mit ähnlicher Gefährdung eingerichtet und durch den Tagesspiegel öffentlich bekannt. Vor der Einmündung der Hufelandstraße wird die Fahrt auf dem Schutzstreifen nur im „üblichen‟ Maß durch den Lieferverkehr eingeschränkt. Hinter der Hufelandstraße wird der Radverkehr unmittelbar auf die Abgrenzung der Baustelle geführt.

Im Tagesspiegel ist deutlich zu sehen, dass die Baustelle den gesamten Bereich des Schutzstreifens beansprucht. Das folgende Bild (vom 11.02.2019) sieht aus wie eine Entschärfung. Allerdings bleibt vom eigentlichen Schutzstreifen nur ein zu schmaler Rest übrig. Zusätzlich benötigt der Lieferverkehr für die Baustelle diesen Rest sowie die nächste Fahrspur; die Radfahrenden dürfen sich also auf der verbleibenden Fahrspur einordnen.

Greifswalder Ecke Hufelandstraße

Auf der zweiten Hälfte der Baustelle wird auch das Überbleibsel des Schutzstreifens blockiert:

Greifswalder Ecke Hufelandstraße

Diese Aufnahmen stammen vom späten Vormittag, also aus verkehrsarmer Zeit. Wie es am Nachmittag aussieht, mag sich jede*r Leser*in selbst ausmalen.

Zu erwarten wäre, dass gemäß § 39 (1) MobG für eine ausgewiesene Umfahrung gesorgt würde. Der Schutzstreifen hätte also parallel zur Baustelle fortgesetzt werden müssen – mit sicherer Markierung und ausreichender Breite von 1,60 m.

Inzwischen gab es die Auflösung – siehe Tagesspiegel vom 14.02.2019. Der Bau-Container wurde eigenmächtig auf den Schutzstreifen gestellt und erst nach mehrfachen Beschwerden zur Seite gestellt. Hier kam also alles zusammen: regelwidriges Verhalten der Baufirma, unklare Verteilung der Zuständigkeit zwischen VLB und Bezirk, unzureichende Absprache zwischen Ordnungsamt, Bauaufsicht und Straßen- und Grünflächenamt, fehlende Kontrolle, fehlender Aushang an der Baustelle.

Niederschönhausen – Grabbeallee

Seit Mitte 2018 erneuern die Wasserbetriebe Teile der Kanalisation – zunächst auf beiden Seiten der Kreuzung Tschaikowskistraße, seit Herbst abschnittsweise zwischen Tschaikowskistraße und Majakowskiring.

In der ersten Phase hatte der Radverkehr wahlweise die Möglichkeit, unverändert auf der Fahrbahn zu bleiben (ohne besondere Markierung oder Wegweisung, wie auch sonst im Verlauf der Grabbeallee) oder den Gehweg mitzunutzen (mit Zeichen 239 und Zusatzschild 1022-10). Die Umfahrung auf dem Gehweg um die Baustelle herum war wegen der 90-Grad-Ecken etwas umständlich, aber für Radfahrer*innen, die nicht mitten im Kraftverkehr an der Baustelle vorbeifahren wollten, eine Notlösung.

Verkehrsführung Auf 1,20m Breite sollen auch Fahrräder passen. Bei der hier behandelten Teilbaustelle wird der Radverkehr gezwungen (mit Zeichen 240; blaue Linie), auf dem Gehweg an der Baustelle vorbeizufahren. Das ist angesichts einer Gehwegbreite von 1,80m und später nur 1,20m (siehe Bild) unzumutbar. Wenn Radfahrer*innen stattdessen die Fahrbahn nutzen würden, würde sich gegenüber dem sonstigen Verlauf der Grabbeallee nichts ändern, weder hinsichtlich der Fahrbahnbreite, der (fehlenden) Möglichkeit zum Überholen noch der möglichen Geschwindigkeit für alle Verkehrsteilnehmer. Im Gegenteil: Die Abfahrt vom Gehweg auf die Fahrbahn hinter der Baustelle ist gefährlich, da Kraftfahrer*innen kaum erkennen können, dass zwischen der Baustelle und parkenden Autos Fahrräder hervorkommen wollen; ein Einfädeln in den laufenden Verkehr ist angesichts des starken Kraftverkehrs schwer möglich.

Diese Baustelle wird auf weiteren Abschnitten der Grabbeallee fortgeführt. Auch deshalb darf es nicht bei dieser Behinderung des Radverkehrs bleiben. (Inzwischen wird die Gegenrichtung in ähnlicher Weise behindert.)

Pankow Kirche – Breite Straße, Ossietzkystraße

Für etwa sechs Wochen gab es eine Baustelle auf dem Radweg zwischen Ossietzkystraße und dem Übergang Richtung Berliner Straße und S-/U-Bahnhof. An dieser Stelle ist der (nicht benutzungspflichtige) Radweg für beide Richtungen vorgesehen; dazu kommt der Gehweg. Der Radweg wird an dieser Stelle sehr stark frequentiert, es handelt sich vermutlich um die wichtigste Fahrradkreuzung in Pankow. Durch die Baustelle war der Radweg zeitweise nicht mehr befahrbar (wie in diesem Tweet zu sehen). Später sorgte eine verwirrende Beschilderung (vergleiche das Bild am Anfang dieses Artikels) dafür, dass sich der Verkehr in beiden Richtungen den schmalen Bereich zwischen Baustelle und Bordsteinkante mit Parkbucht teilen musste.

Es war keine Ausweichfahrbahn markiert. Überwiegend gab es keine Beschilderung. Ein Vorschlag, provisorisch einen Radstreifen auf der Fahrbahn zu markieren, wurde von der VLB ignoriert. Die Zuständigkeit für Baustelle und Beschilderung war nicht zu erkennen. Der Radverkehr wird eben als unwichtig angesehen.

Niederschönhausen – Schloßallee

Die Schloßallee zwischen Schlosspark Niederschönhausen und Pasewalker Straße ist Bestandteil des Radfernwegs Berlin – Usedom und eine wichtige Verbindung zwischen Innenstadt / Pankow und Karow / Buch / Bernau.

Bereits vor ein paar Jahren gab es hier für ein Jahr eine vollständige Sperrung ohne jede Ausschilderung. Versuche des ADFC Pankow, dass die Strecke für den Radverkehr freigegeben würde, verliefen im Sande. Alle möglichen Anfragen an die Wasserbetriebe, die die Baustelle verantworteten, wurden ignoriert.

Sperrschild an der Schloßallee verdeckt Fahrrad-Wegweiser. Die Breite der Fahrbahn genügt für Pkw und Fahrrad. Seit dem 06.09.2018 ist zwischen Lindenberger Straße und Elisabeth-Christinen-Straße eine neue Baustelle der Wasserbetriebe eingerichtet. Der Verkehr ist als Einbahnstraße in Richtung Westen (Schlosspark) freigegeben, in Richtung Osten gesperrt. Eine Umleitung ist nicht ausgeschildert (weder für den Rad- noch für den Kraftverkehr), obwohl die Strecke offensichtlich für den Radverkehr wichtig ist.

Radfahrer nutzen Richtung Osten wohl eher selten die Umleitung, sondern fahren an der Baustelle vorbei durch die Schloßallee. Fahrrad und Pkw kommen in der Regel problemlos aneinander vorbei (Baufahrzeuge sind selten unterwegs); viele andere Wohnstraßen oder freigegebene Einbahnstraßen sind schmaler. Warum kommt keiner der Verantwortlichen auf die Idee, diese Einbahnstraße in der Gegenrichtung freizugeben?

Prenzlauer Promenade, Langhansstraße

Noch bis zum 19.11.2018 ist diese Einmündung gesperrt wegen Bauarbeiten für die Straßenbahn. Seit der Kraftverkehr nur einspurig an der Baustelle vorbeifahren kann und dabei ampelgesteuert die Tram-Gleise benutzt, wurde der Radweg an dieser Stelle wieder benutzungspflichtig und mit dem Gehweg zusammengelegt. Gemeinsame Geh- und Radwege (Zeichen 240) sind fast immer eine Zumutung, aber in diesem Ausnahmefall vorübergehend hinzunehmen. Die genaue Strecke wurde mehrfach geändert; die Beschilderung wurde ziemlich gedankenlos aufgestellt:

Verkehrsführung
  • Zeitweise führte der Weg vor der Baustelle zweimal im 90-Grad-Winkel auf den abgesperrten Weg zwischen Fahrbahn und Baustelle, ein anderes Mal mit einer schmalen Brücke über die Tram-Gleise.
  • Hinter der Baustelle wird der gemeinsame Geh- und Radweg zurückgeführt und mit einem Schild 237 (Radweg) aufgelöst. (Das ist zwar überflüssig, weil sich Geh- und Radweg durch die Pflasterung klar unterscheiden; aber es führt nicht zu Problemen.)
  • Aber etwa 30m weiter kommt die unangenehme Überraschung: Der Radweg wird mit Zeichen 239 (Gehweg) abgebrochen und mit gelber Markierung im engen Winkel auf die Fahrbahn geführt – unübersichtlich zwischen parkenden Autos direkt in den starken Kraftverkehr.

Niemand von denen, die sich mit dieser Beschilderung befasst haben, kann auch nur einen Moment ernsthaft nachgedacht haben. Wenn es vor der Baustelle einen nicht benutzungspflichtigen Radweg gab und sich die Strecke nicht geändert hat, sollte der Radweg selbstverständlich auch nach der Baustelle nicht benutzungspflichtig fortgeführt werden. – Hier haben Radfahrer*innen zur Selbsthilfe gegriffen und das Gehweg-Schild entfernt und einige Hausnummern weiter an die Seite gelegt.

Notwendige Maßnahmen

An keiner der Baustellen, die ich bisher „besucht“ habe, habe ich einen Aushang gemäß § 39 (2) Mobilitätsgesetz mit der Verkehrsregelung gesehen.

Es ist nicht erkennbar, dass den Belangen des Radverkehrs wirklich Rechnung getragen wird.

Offensichtlich fehlen Leitlinien, wie die Vorgaben des Mobilitätsgesetzes in der Praxis umzusetzen sind, an denen sich die Straßenverkehrsbehörden von Land und Bezirken orientieren müssten. Solche Leitlinien muss die Senatsverwaltung UVK unter Beteiligung des landesweiten FahrRats zeitnah erarbeiten und festlegen.