Keine Verkehrswende in der Friedrich-Engels-Straße

Regelquerschnitt 1 der vorgestlellten Planung

Um die Jahreswende 2020/21 gab es eine erneute Runde der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Umgestaltung der Friedrich-Engels-Straße im Pankower Ortsteil Rosenthal.

Die Ziele sind zu begrüßen: zweispuriger Ausbau der Tram, Herstellung von Radverkehrsanlagen und Anlage von befestigten Gehwegen, Erhalt des alten Platanenbestandes. Dabei ist der Platz begrenzt, eine Herausforderung für eine Planung, die eine Verkehrswende vorantreibt und den Anforderungen des Mobilitätsgesetzes entspricht — aber statt zum Vorbild für weitere Planungen im Land zu werden, verfehlen die vorgelegten Entwürfe diese Ziele.

Die Situation

Kopfsteinpflaster, alte Bäume und unbefestigte Seitenräume Der letzte noch nicht sanierte Abschnitt der Friedrich-Engels-Straße im Pankower Ortsteil Rosenthal ist in einem desolaten Zustand: einspurige Führung der Tram, Kopfsteinpflaster auf der Fahrbahn, Radverkehr auf dem freigegebenen Gehweg (abschnittsweise sogar im Zweirichtungsverkehr), Gehwege zum Teil unbefestigt. Die Straße wird im Stadtentwicklungsplan Verkehr (StEP) als Hauptstraße der Kategorie 2 (übergeordnete Straßenverbindung) geführt; das ist zwar als Verbindung von Pankow und Reinickendorf gerechtfertigt, entspricht aber keineswegs der aktuellen Situation; aufgrund des schlechten Straßenzustands ist die Geschwindigkeit teilweise auf 10 km/h begrenzt.

Gehweg Radfahrer frei im Zweirichtungsverkehr

Für den Radverkehr ist die Verbindung derzeit sehr schlecht nutzbar: Gehweg mit „Radfahrer frei“ erfordert Schrittgeschwindigkeit, und das Kopfsteinpflaster der Fahrbahn ist keine Alternative. Der Fußverkehr muss den knappen Platz teilweise sogar mit Radverkehr in zwei Richtungen teilen, die Tram ist durch die einspurige Führung verspätungsanfällig und eine Taktverdichtung kaum möglich.

Ein Umbau ist dringend notwendig und wir begrüßen ausdrücklich, dass es mit diesem jetzt endlich vorangeht.

Drei Bauabschnitte, Beteiligung und Planfeststellung

Während der südliche Teil des Straßenzugs seit 2008 in zwei Abschnitten saniert wurde und heute in einem zwar nicht idealen, aber nutzbaren Zustand ist, ist für die verbliebenen ca. 1,7 km (in der Karte markiert) ein aufwändigeres Planverfahren notwendig. Die jetzt erfolgte Öffentlichkeitsbeteiligung versteht sich als Zwischenschritt vor dem Mitte 2021 einzuleitenden Planfeststellungsverfahren. Dabei sollen laut Darstellung auch die „Vorgaben aus dem Mobilitätsgesetz“ Berücksichtigung finden.

Unsere Position und Forderungen

Wir kritisieren, dass anscheinend weiterhin Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit des Kraftverkehrs im Vordergrund der Planung stehen.

Unsere grundsätzlichen Forderungen für die Planung sind:

  • Die Planungsvorgaben müssen primär die Bedürfnisse des Umweltverbundes erfüllen. Die Planung muss von außen nach innen erfolgen, angefangen mit den Anforderungen des Fuß- und des Radverkehrs, der zweigleisige Tramausbau steht selbstverständlich auch nicht zur Disposition.
  • Um entsprechend § 42 MobG BE ein sicheres Überholen von Radfahrenden untereinander zu ermöglichen, sind Radverkehrsanlagen grundsätzlich mit einer Breite von 2,50 m zuzüglich Sicherheitsabstände zu planen.
  • Wenn notwendig müssen zur Erfüllung der vorstehenden Forderungen die Vorgaben der RASt 06 für beengte Straßenverhältnisse angewendet werden und die Fahrstreifenbreite mit nur 2,95 m angesetzt werden. Nur wenn das noch nicht reicht, darf der Raum für Rad- und Fußverkehr reduziert werden.
  • Bei beengten Verhältnissen, wie in der Friedrich-Engels-Straße, sollte auch auf STEP-II-Straßen die Gewährleistung von Tempo 50 in Frage gestellt werden.

Nach § 42 MobG BE sollen Radverkehrsanlagen mit einer ausreichenden Breite eingerichtet werden, damit sich Radfahrende sicher überholen können. Damit wird dem Wachstum des Radverkehrs mit zunehmend mehr Lasten- oder Familienrädern, Elektrofahrrädern (Pedelec 25) und der zunehmenden Differenzierung der Geschwindigkeit sowie dem gemeinsamen Radfahren von eher unsicheren und erfahrenen Verkehrsteilnehmenden Rechnung getragen.

Die vorliegende Planung sieht aber stellenweise nur eine unzureichende Breite der Radverkehrsanlage von 1,85 m vor. Demgegenüber wird für die Fahrstreifen des motorisierten Individualverkehrs (MIV) eine Breite von mindestens 3,25 m angesetzt, wohl um den Empfehlungen der RASt 06 für mit Tempo 50 ausgelegte Stadtstraßen zu genügen. Ist der Platz wie hier begrenzt, müssen aber Anforderungen des Umweltverbundes zuerst berücksichtigt werden.

Falls die planerische Umsetzung unserer Forderungen bedeutet, dass zur Aufrechterhaltung einer sicheren Verkehrsführung nur eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h oder 40 km/h angeordnet werden kann, hätte dieses nur einen sehr untergeordneten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Straße, aber einen positiven Einfluss auf die Lebens- und Aufenthaltsqualität an der Friedrich-Engels-Straße. Eine solche Planung würde zudem mit dem bereits im Verkehrsausschuss der BVV Pankow befürworteten Antrag VIII-1292 „Tempo 30 in ganz Pankow“ synchron laufen.

Konkrete Anmerkungen zur vorgelegten Planung

Detaillierte Kommentare zu den Plänen sind unserer an das Bezirksamt übermittelten Stellungnahme zu entnehmen. Herauszustellen sind:

  • Schutzstreifen von 1,85 m Breite sind für eine Planung, die dem Mobilitätsgesetz (MobG) entsprechen soll, i. d. R. nicht vertretbar; neben der grundsätzlich möglichen Reduzierung der Fahrstreifen auf 2,95 m weisen wir an mehreren Stellen auf zusätzliche nicht genutzte Platzreserven hin.
  • Wir schlagen Standorte für zusätzliche Fahrradbügel vor.
  • Wir hinterfragen die Anlage von zusätzlichen Abbiegestreifen für den MIV in Kreuzungsbereichen.
  • An den Tram-Haltestellen muss ggf durch bauliche Maßnahmen verhindert werden, dass der Kfz-Verkehr an der stehenden Tram über den Radstreifen rechts vorbeifährt.
  • Für den letzten Abschnitt der Planung in der Quickborner Straße (StEP IV) mit der Tram-Wendeschleife schlagen wir aufgrund der beengten Verhältnisse eine Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 vor. Dies würde dann auch die Freigabe der Einbahnstraße für den Radverkehr in Gegenrichtung ermöglichen.