Ratgeber Cargobikes: Welches Lastenrad passt zu mir?

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Cargobikes liegen in Berlin voll im Trend. Vor Kitas und Spielpätzen gehören sie längst zum Straßenbild – auch über Prenzlauer Berg und Kreuzberg hinaus. Wieso? Sie sind verdammt praktisch im Berliner Familienalltag. In unserem Ratgeber erfahren Sie, welches Cargobike zu Ihnen passt (Teil 1), welche Modelle es gibt (Teil 2) und bei welchen Berliner Händlern Sie es testen können (Teil 3). Von Arne Behrensen


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Der Fahrspaß auf Cargobikes ist groß – für Eltern wie Kinder. Schon werden praktischen Transporter zu angesagten urbanen Kultobjekten, deren Anhänger sich zu einem Rennen treffen: Im März fand bereits das 2. Berlin International Cargo Bike Race statt – hier waren allerdings weniger Familien am Start, sondern eher Fahrradkuriere, die ebenfalls zu den Cargobike-Trendsettern gehören. Klar, ein Cargobike braucht mehr Platz zum Unterstellen, auch wenn es nicht immer gleich ein Garagenplatz sein muss. Außerdem haben vernünftige Modelle ihren Preis. Bei 1.500 Euro geht es im Fachhandel mit den günstigsten Modellen in der Grundausstattung los, höherwertige Räder starten bei 2.000 Euro – jeweils in der Grundausstattung ohne Regenverdeck und ohne Pedelec-Antrieb. Im vergleichsweise flachen Berlin geht es zwar auch ohne E-Antrieb, doch mit elektrischem Rückenwind lässt es sich auch beladen ohne große Anstrengung die Prenzlauer Allee hochfahren und mit bis zu 25 km/h durch die Stadt cruisen. So wird das Cargobike in Sachen Komfort und Schnelligkeit noch mehr zur ernsthaften Auto-Alternative. Im Vergleich zum Auto relativieren sich schließlich auch 2.500 bis 6.000 Euro für ein voll ausgestattetes eCargobike – vor allem, wenn die dauerhaft entfallenden Kosten für Sprit, Steuer und Versicherung bedacht werden. Doch eine Kaufprämie für Cargobikes – ähnlich wie für eAutos – wäre ein zusätzlicher Anreiz zum Umsteigen. In der Steiermark in Österreich gibt es einen Zuschuss von bis zu 500 Euro für alle Cargobikes, in München bis zu 1.000 Euro für gewerblich genutzte eCargobikes.

Welches Cargobike passt zu mir?

Im Berliner Straßenbild fallen vor allem zwei Grundtypen der Lastenräder auf. Der eine ist das dreirädrige Cargobike mit Transportbox vorne. Der Klassiker ist das seit 1984 gebaute Christiania-Bike aus Kopenhagen. Der zweite Grundtyp ist deutlich älter. Einspurige (zweirädrige) „Long Johns“ mit verlängertem Radstand und Transportfläche vorne entstanden bereits in den 1920er Jahren in Kopenhagen. Dort und in Amsterdam liegt auch der Ursprung ihres aktuellen Comebacks. Selten sind in Berlin sogenannte Longtails mit besonders langen stabilen Gepäckträgern und verlängertem Radstand hinten zu sehen. Sie sind vor allem in den USA beliebt. Weniger auffällig im Straßenbild aber durchaus weit verbreitet sind alte Bäcker- oder Posträder, von denen es inzwischen auch moderne Varianten gibt. Bei allen vier Cargobike-Grundtypen gibt es eine schnell wachsende Modellvielfalt. Attraktives Design, Vielfalt des Zusatzequipments, sicherer (Klein-)Kindertransport und Qualität der Komponenten haben in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht.

Langstrecke oder Kiezmobil?

Oft ist Kindertransport ein wichtiger Grund für den Kauf eines Cargobikes und die Entscheidung fällt zwischen Dreirad und Long John. Bei beiden ist die Fahrweise und vor allem die Lenkung anfangs gewöhnungsbedürftig. Man sollte sich aber nicht nur vom Fahrgefühl der ersten Testfahrten leiten lassen – man gewöhnt sich an (fast) jedes Cargobike. Wichtig ist, dass das Rad zu den Alltagsstrecken und zum Transportbedarf passt. Wer regelmäßig längere Strecken als zwei oder drei Kilometer fährt und zügig ans Ziel kommen will, sollte ein einspuriges Cargobike wählen. Wer gerne gemächlicher oder nur im eigenen Kiez unterwegs ist und viel Platz für Kinder und Einkäufe braucht, ist beim Dreirad richtig. Und in manchen Haushalten braucht es vielleicht zwei Modelle: Weil das Cargobike das zentrale Transportmittel ist und sowohl ein Langstreckenfahrzeug als auch ein Kiezmobil gebraucht wird.

Wer sich für einen der beiden Grundtypen entschieden hat, kann zwischen verschiedenen Varianten mit unterschiedlichem Fahrverhalten wählen. Soll es beim Dreirad ein Modell mit der üblichen Drehschemellenkung (Lenker, Transportbox und vordere Laufräder sind ein Element), einer Achsschenkellenkung (Lenker bewegt nur die Laufräder) oder einer Lenkung mit Neigetechnik sein, die eine sportlichere Fahrweise auch auf drei Rädern erlaubt? Da hilft nur ausführliches Testfahren. Ebenso bei den Long Johns. Hier gibt es Modelle mit aufrechter Fahrposition im Hollandrad-Stil oder mit sportlicheren Sitzpositionen. Einige Modelle bieten zusätzlichen Fahrkomfort durch eine gefederte Vorderradgabel; das „Load“ von Riese&Müller hat sogar einen vollgefederten Rahmen.

Mit oder ohne E?

Fast alle Cargobikes werden inzwischen auch als Pedelec, einige Long Johns sogar als S-Pedelec angeboten. Ein Test von ExtraEnergy im Frühjahr 2016 hat gezeigt, dass sich die Antriebsleistung der eCargobikes seit einem ersten Test im Jahr 2013 deutlich verbessert hat – auch am steilen Berg mit 50 kg Zuladung lieferten alle getesteten Modelle (überwiegend Long Johns) eine ordentliche Performance. Doch wie beim »normalen« Fahrrad bedeutet ein E-Antrieb am Cargobike außer unbestreitbarer Erleichterung und Fahrspaß auch: höherer Kosten (anfänglicher Kaufpreis und Nachkauf von verbrauchtem Akku), höhere Ansprüche an den Stellplatz (weil teurer und witterungsempfindlicher) und höherer Wartungsaufwand (weil komplexere Technik).

Kindertransport

Im Gegensatz zum Anhänger dürfen nach StVO auf dem Fahrrad (und damit auch dem Cargobike) mehr als zwei Kinder mitgenommen werden. Das setzt voraus, dass »besondere Sitze vorhanden« sind und »durch Radverkleidungen oder gleich wirksame Vorrichtungen dafür gesorgt ist, dass die Füße der Kinder nicht in die Speichen geraten können«. Eine DIN-Norm »Lasten- und Transporträder«, die darüber hinausgehende Standards für den sicheren Kindertransport definiert , soll Ende 2017 erscheinen. Für Fahrrad-Kindersitze und Kinderanhänger gibt es sie bereits.

Für selbstständig sitzende Kinder gibt es auf vielen Cargobikes die klassische Sitzbank mit niedriger Lehne. Darauf können zusätzlich spezielle Sitze für Kleinkinder montiert werden, die Nacken und Kopf stabilisieren. Einige dreirädrige Modelle sowie die sportlichen einspurigen Cargobikes bieten auch hohe Rückenlehnen. Bei den sportlichen Einspurern sitzen die Kinder statt auf einer Sitzbank auf einem Sitzkissen mit nach vorne ausgestreckten Füßen. Das ergibt einen tieferen Schwerpunkt, geht aber auch zu Lasten des Stauraums. Ein wichtiges Zusatzequipment für den Kindertransport ist ein Verdeck, das die kleinen Fahrgäste vor Wind und Wetter schützt. Einige wenige Modelle verfügen über stabile Kinderkabinen, die auch einen Überrollschutz bieten. Zum Anschnallen der Kinder sollte ein bequemer 3-Punkt-Gurt Mindeststandard sein. Einfache Verstellbarkeit der Gurtlänge ist ein deutliches Plus. Ein Brustgurt, eine hohe Rückenlehne oder spezielle Kindersitze können helfen seitliches Abrutschen der Gurte von den Schultern zu verhindern. Sie sind auch hilfreich, wenn Kinder während der Fahrt einschlafen und sonst zur Seite wegknicken würden. Babys ab dem 2. Monat können auf vielen Cargobikes in Babyschalen transportiert werden, die für Autos konzipiert sind. Diese bieten eine sichere Liegeposition, eine gute Anschnallmöglichkeit und einen Bügel als Überrollschutz. Auf Cargobikes werden sie meist in gefederten Aufnahmevorrichtungen befestigt, die entweder auf dem Boden der Transportfläche oder an beiden Seiten der Transportbox montiert sind. Die Babyschale wird wie im Auto entgegengesetzt der Fahrtrichtung montiert, Baby und fahrendes Elternteil haben so – anders als im Auto – direkten Blickkontakt.

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