ADFC Berlin zum Koalitionsvertrag: „Eine Zukunftshauptstadt braucht mutige Mobilitätspolitik“

SPD, Grüne und Linke haben sich auf die Ziele für die kommende Legislatur geeinigt. Seit heute liegt der Koalitionsvertrag vor. Die Bilanz aus Sicht des ADFC Berlin lautet: Bekenntnisse beim Radverkehr gehen in die richtige Richtung, jetzt braucht es Taten. Für eine mutige Mobilitätspolitik ist noch Luft nach oben.

Im Absatz Radverkehr heißt es: „Die Koalition möchte, dass alle sicher mit dem Rad und zu Fuß unterwegs sein können. Die Koalition will den Radverkehrsplan und des Radverkehrsnetzes umsetzen. Bis zum Jahr 2026 soll die Realisierung des Vorrangnetzes und geschützter Radinfrastruktur an Hauptstraßen erfolgen“. Lange bemängelte der ADFC Berlin das Fehlen einer Zielvorstellung für die Umsetzung des Radverkehrsnetzes, das Nennen dieser Frist begrüßt der Fahrradverband. Damit Berlin auf Zukunftskurs bleibt und das ambitionierte Ziel tatsächlich erreicht, fordert der ADFC Berlin einen halbjährlichen Zwischenbericht über den Erfolg der Umsetzung.

Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist das Verschieben der Zuständigkeiten für Hauptverkehrsstraßen von der Bezirks- auf die Landesebene. Somit ist die langjährige ADFC Berlin-Forderung, das Zuständigkeitswirrwarr der dreizehn Berliner Verkehrsverwaltungen zu beenden, zum Teil im Koalitionsvertrag enthalten.

„Mitten in der Klimakrise müssen wir der Realität ins Auge sehen: Ein Bekenntnis zum Mobilitätsgesetz ist gut, reicht aber nicht aus, um den Verkehr auf Klimakurs zu bringen. Verkrustete Verwaltungsstrukturen und eine autozentrierte Denke bremsen die Verkehrswende auf der Straße aus. In Zukunft soll das Land für alle Hauptstraßen verantwortlich sein auch für Radwege, neue Busspuren und für die Sicherheit an Kreuzungen. Das lässt eine deutliche Beschleunigung der Verkehrswende erwarten und gibt Hoffnung. Damit erfüllt die Koalition eine zentrale Forderung des ADFC Berlin. Die Bekenntnisse gehen in die richtige Richtung, jetzt braucht es Taten“, sagt Frank Masurat, Landesvorsitzender des ADFC Berlin. „Für Klimaschutz und Verkehrswende ist die Reduktion des Kfz-Verkehrs unabdingbar, hier fehlt es der neuen Koalition noch an Visionen“, ergänzt Masurat.

Positiv hervorzuheben ist das Ziel, Fahrradparkhäuser und Fahrradabstellplätze an wichtigen ÖPNV-Stationen zu schaffen. Bloß: Dieses Vorhaben galt auch bereits in der letzten Legislatur. Ohne die Nennung von konkreten Zielzahlen (Anzahl, Zeit, Finanzmittel), dürfte hier keine Verbesserung zu erwarten sein.

Zur Parkraumbewirtschaftung findet sich eine moderate Erhöhung des Anwohnerparkens auf 120 Euro pro Jahr. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch dabei darf es nicht bleiben. 33 Cent am Tag sind noch immer viel zu wenig und werden kaum eine Lenkungswirkung weg vom Auto hin zum Umweltverbund erreichen. Eine faire Bepreisung sieht nach Berechnungen des ADFC Berlin eine Erhöhung auf mindestens 240 Euro pro Jahr vor. Notwendige Aussagen zur notwendigen Umwidmung des Parkraums finden sich gar nicht. Um die von der Koalition angestrebte „Zero-Emissions-Zone“ zu erreichen, müssten mindestens 60.000 öffentliche Pkw-Stellplätze pro Jahr in Grünflächen, Spielplätze, Parkbänke, Radwege, Lieferzonen oder Raum für lokale Händler*innen umgewidmet werden. Davon ist im Koalitionsvertrag nichts zu lesen. Berlin braucht weniger Autos – da drückt sich die neue Koalition genauso wie die alte.

Zum Weiterbau der Stadtautobahn A100 steht im Koalitionsvertrag: „Der 16. Bauabschnitt der A100 wird einem qualifizierten Abschluss am Treptower Park zugeführt. Wir setzen uns im Bund dafür ein, dass das Verkehrskonzept für die betroffenen Bereiche einschließlich der Sonnenallee mit dem Land abgestimmt wird. (…) Planung und Bau des 17. Bauabschnitts der A100 wird in der neuen Legislaturperiode durch die Landesregierung nicht weiter vorangetrieben.“ Ein tatsächlicher Stopp der klimaschädlichen Stadtautobahn ist damit noch nicht in Sicht.

„Während andere Städte wie Paris, Barcelona oder Wien beim Stadtverkehr für die Zukunft handeln, bleibt der Berliner Senat hinter den Erwartungen der Zivilgesellschaft zurück. Wer beim Klimaschutz punkten will, darf keine Stadtautobahn bauen, die immer mehr lauten, klimaschädlichen Verkehr in die Stadt schleust. Berlin muss sich beim Bund für den Baustopp einsetzen, sonst schaffen wir die Klimaziele nicht. Alles andere bedeutet, immer mehr lauten und gesundheitsschädlichen Verkehr zuzulassen. Eine Zukunftshauptstadt braucht mutige Mobilitätspolitik“, fordert Katja Leyendecker, verantwortlich für Politik und Inklusion im Vorstandsteam des ADFC Berlin.

Hinweis an Redaktionen: Zum Start der Koalitionsgespräche hat der ADFC Berlin einen Fünf-Punkte-Plan an SPD, Grüne und Linke veröffentlicht. Die fünf Punkte finden Sie hier in der Pressemeldung: „Berlin braucht die Verkehrswende – jetzt“: ADFC Berlin fordert von neuer Regierung die Umsetzung eines 5-Punkte-Plans

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Pressekontakt: Lisa Feitsch, E-Mail: presse@adfc-berlin.de, Tel. (auch mobil): +49 (0)30 – 44 04 99 74