Radschnellweg Panketrail in Gefahr

Die Infobox zum Projekt Pankower Tor
Infobox am Pankower Tor

Eine vielversprechende Trasse für eine Radschnellverbindung verbindet Buch mit Pankow und Mitte. Sie verläuft über das brachliegende Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs – das Pankower Tor. Ausgerechnet an den Planungen für die Bebauung dieser Freifläche könnte jetzt eine durchgängige Führung scheitern.

Der Ideenwettbewerb „Deine Radschnellroute‟ vom ADFC Berlin prämierte 2016 den Panketrail als beste Idee für einen Radschnellweg in Berlin.

Ende 2018 – Gleisreste und teilgenutzte Bahnbrücken

Die vorgeschlagene Radschnellroute folgt auf aufgegebener Bahntrasse und Nebenstraßen vom Mauerpark über den alten Güterbahnhof Pankow bis nach Buch der Stettiner Bahn. Die Fotos zeigen die aktuelle Situation auf dem Gelände des Güterbahnhofs und die Brücken über die Maximilian- und die Mühlenstraße.

Die aufgegebene Bahntrasse entlang der Stettiner Bahn in Pankow

Die aufgegebene Bahntrasse entlang der Stettiner Bahn in Pankow

Hier soll einmal der Panketrail entlang führen: Die Brücke der aufgegebenen Bahntrasse über die Maximilianstraße ist noch vorhanden.

Die Brücke über die Maximilianstraße ist noch vorhanden.

Etwas weiter nördlich ist auch die Brücke der aufgegebenen Bahntrasse über die Mühlenstraße noch vorhanden.

Etwas weiter nördlich ist auch die Brücke über die Mühlenstraße noch vorhanden.

Die aufgegebene Bahntrasse entlang der Stettiner Bahn kurz vor dem Bahnhof Pankow

Die aufgegebene Bahntrasse entlang der Stettiner Bahn kurz vor dem Bahnhof Pankow

Vorbereitende Planung für den Radschnellweg

Die Berliner Verkehrsverwaltung nahm den Streckenvorschlag des ADFC Berlin 2017 in ihre Potenzialanalyse zu Radschnellwegen auf und erweiterte die Führung Richtung Mitte bis zum Nordbahnhof. Im Endbericht der Potenzialuntersuchung wird der Trasse vom Senat ein hohes Nutzungspotenzial zugeschrieben (Seite 38) und dass, obwohl die untersuchte Trasse nur bis zum Bahnhof Karow führt. Damit fließt das gesamte Potenzial durch den Anschluss von Campus und Klinikum Buch mit über 5.000 Beschäftigten, Studierenden und Besucherinnen und Besuchern gar nicht in vollem Umfang in die Beurteilung ein.

Planungen am Pankower Tor gefährden die Streckenführung

Doch noch bevor die Machbarkeitsuntersuchungen 2019 endlich beginnen können, steht sich der Senat selbst im Weg. Ein unverzichtbarer Abschnitt dieser Radschnellverbindung verläuft über das zur Zeit noch brachliegende Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Pankow, das als „Pankower Tor‟ zu einem neuen Stadtquartier mit Wohnungen, einem Fachmarkstandort für Möbel und Flächen für eine „Einzelhandelskonzentration‟ entwickelt werden soll. Nach mehrjährigem Streit und Verhandlungen unterzeichneten der Investor Krieger, das Bezirksamt Pankow und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen im April 2018 eine Grundsatzvereinbarung, in der der Radschnellweg Panketrail nicht berücksichtigt ist. Zwar soll auf dem Gelände ein autoarmes Quartier entstehen; der Radverkehr wird jedoch nur durch den vorgesehenen Bau eines Fahrradparkhauses am Bahnhof Pankow, durch eine neu zu schaffende Querungsmöglichkeit der Bahntrasse und in Ergänzung zur ebenfalls zu planenden Straßenbahntrasse mit einem Radweg entlang der Granitzstraße berücksichtigt.

Das erlaubt kein bequemes, zügiges und attraktives Befahren durch radfahrende PendlerInnen zwischen Buch und Mitte und entspricht nicht den Berliner Qualitätskriterien für Radschnellwege (Seite 8).

Auf Nachfrage des BUND im Frühjahr 2018, inwieweit denn der geplante Radschnellweg mit den dazu gehörigen niveaufreien Kreuzungen in der (zu diesem Zeitpunkt noch nicht öffentlichen) Grundsatzvereinbarung berücksichtigt wurde, äußerte sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenSW) ausweichend. Zwar „war die Radverkehrseinbindung des Gebiets und der Anschluss an den Panketrail ein wichtiger Verhandlungspunkt mit dem Investor‟, so SenSW, aber es wäre nur „entlang der Granitzstraße ein leistungsfähiger Radweg vorgesehen‟.

In der jetzt vorliegenden Grundsatzvereinbarung selbst ist sogar nur von der Ergänzung des bestehenden südlichen Radweges um einen „leistungsfähigen Radweg auf der nördlichen Seite der Granitzstraße‟ die Rede. Auch eine Brücke, die eine niveaufreie Kreuzung der Berliner Straße am Bahnhof Pankow sicherstellt, die auch in der Potenzialanalyse der Senatsverkehrsverwaltung zum Panketrail festgehalten wurde, ist in der Grundsatzvereinbarung nicht berücksichtigt. War der Abschnitt Bahnhof Pankow bis Esplanade, der nur unter Nutzung von Brückenbauwerken an der Bahn sinnvoll ist, sogar schon vom Berliner Senat beim Bund für eine Förderung als Radschnellweg angemeldet, soll jetzt lediglich die „bereits überlastete Doppelkreuzung Berliner-/Granitz-/Kissingenstraße‟ angepasst werden (Grundsatzvereinbarung, Seite 3).

Doppelknoten Berliner-/Granitz-/Kissingenstraße schon jetzt überlastet

Die fehlende niveaufreie Kreuzung der Berliner Straße widerspricht nicht nur den Qualitätskriterien an einen Radschnellweg; die Brücke am Bahnhof Pankow ist vor allem notwendig, damit der Verkehr am Doppelknoten Berliner-/Granitz-/Kissingenstraße nicht völlig kollabiert. Bereits jetzt hat die BVG Probleme, ihre Busse und Straßenbahnen pünktlich das Nadelöhr am Bahnhof Pankow passieren zu lassen. Die Radverkehrszählstelle des Berliner Senat verzeichnet an dieser Kreuzung das drittgrößte Radverkehrsaufkommen Berlins. Die Einbindung der geplanten Straßenbahntangentialverbindung zwischen Pankow und Weißensee wird den Knoten zukünftig noch zusätzlich belasten und für längere Umlaufzeiten und damit längere Wartezeiten für alle Verkehrsteilnehmer an den Ampeln sorgen. Die zusätzliche Führung eines Radschnellweges über diesen Knoten würde nicht nur einen großen Teil der Reisezeitgewinne auf der Radschnellverbindung selbst auffressen, sondern auch dazu beitragen, dass der gesamte Verkehr an dieser Engstelle endgültig kollabiert. Davon wären dann vor allem auch zu Fuß gehende, BVG-Fahrgäste, Tram- und Busverkehr betroffen.

Vermeidbare Konflikte im Umweltverbund

Darüber hinaus würde die Führung des Radschnellwegs entlang der Granitzstraße zwischen Straßenbahnhaltestellen und Fußweg unnötige Konflikte innerhalb des Umweltverbundes provozieren.

Skizze des Straßenquerschnitts Straßenquerschnitt der Granitzstraße mit „Radschnellweg‟ entsprechend dem Mobilitätskonzept zum Pankower Tor: Konflikte zwischen Rad-, Fuß- und Fahrgastverkehr sind vorprogrammiert.

Bahhof Pankow Der Bahnhof Pankow: Die BVG fährt sogar Ersatzhaltestellen an (hier im Bau), um das Nadelöhr Pankow zu meiden. Diese Ampel soll zukünftig noch eine weitere Straßenbahntrasse und einen Radschnellweg bedienen. Eine weitere Brücke im Hintergrund für den Radschnellweg könnte den Engpass entschärfen.

Noch gibt's hier wenig Radverkehr, weil die meisten den Berlin-Usedom-Radweg nutzen und nur Busse unterwegs sind. Dazu kommen dann Radschnellverbindung und neue Tramlinie. Haltestelle Granitzstraße: Noch gibt’s hier wenig Radverkehr, weil die meisten den Berlin-Usedom-Radweg nutzen und nur Busse unterwegs sind. Dazu kommen dann Radschnellverbindung und neue Tramlinie.

Radschnellverbindung unterbrochen

Die Trassierung entlang der Granitzstraße bringt darüber hinaus noch weitere vermeidbare Nachteile:
  • Der Anschluss an den nordöstlichen Teil des Panketrails wird erschwert, weil die Trasse des Radschnellweges erst wieder über das Gelände zurückgeführt werden muss. Auch hierfür müssen Flächen auf dem Pankower Tor frei gehalten werden. Eine Führung direkt entlang der Stettiner Bahn ist die Platz sparendste Variante der Streckenführung. Für den Radverkehr auf dem Panketrail in Richtung Nordosten ist außerdem eine weitere Lichtsignalanlage (LSA) mit entsprechenden Aufstellflächen für die Querung der Granitzstraße erforderlich.
  • Die Direktheit der Strecke ist nicht mehr gegeben und die Attraktivität des gesamten Radschnellweges leidet unter der indirekten Trassierung. Eine stetige und unterbrechungsfreie Führung ist für Radfahrende nicht nur deutlich attraktiver, sondern sichert den Radfahrenden zugleich auch eine nicht unerhebliche Zeitersparnis zu.
  • Zusätzliche Querungen und Fahren (gelb) entlang einer Hauptverkehrsstraße statt einer Brücke und einem eigenen entsprechend breiten und gut ausgebauten Weg (grün) schaffen mögliche neue Unfallschwerpunkte.
  • Die Führung entlang der Granitzstraße entspricht auch nicht den Qualitätsanforderungen an Radschnellwege – weder den bundesweit geltenden Anforderungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) noch den modifizierten Berliner Anforderungen. Auffällig ist neben der fehlenden niveaufreien Kreuzung vor allem die mangelnde Breite des geplanten Radwegs entlang der Granitzstraße. So entspricht dieser in der Ergebnisdokumentation des Mobilitätskonzepts zum Pankower Tor in Westrichtung mit 2 m gerade einmal den Regelplänen der VLB für „normale‟ Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen. In Ostrichtung begnügt man sich sogar mit dem vorhandenen 1,5 m breiten Schutzstreifen. FGSV und die Berliner Anforderungen sehen für Radschnellwege mindestens 3 m vor – und zwar pro Richtung. Die Führung entlang der Granitzstraße kann also schon allein aufgrund mangelnder Breite nicht als Radschnellweg angesehen werden. Der Panketrail wird somit de facto in einen Südteil bis zur Mühlenstraße und einen Nordteil ab der Prenzlauer Promenade zweigeteilt.
  • Durch die Zweiteilung entspricht der Panketrail auch hinsichtlich der Länge nicht mehr den Anforderungen an Radschnellwege, welche eine Mindestlänge von durchgehenden 5 km erfordern. Straßenquerschnitt Straßenquerschnitt der Granitzstraße entsprechend dem Mobilitätskonzept zum Pankower Tor: Von der Mindestbreite für Radschnellwege ist die Planung weit entfernt. Gelände des Pankower Tors Ein Blick über das Gelände des Pankower Tors: Die optimale und direkte Trassierung des Panketrail (grün) und die derzeit geplante Trasse (rot).

Ein Antrag der Pankower Grünen-Fraktion, den Panketrail und die Trassenführung entlang der Stettiner noch nachträglich in die Grundsatzvereinbarung mit aufzunehmen, wurde grundsätzlich durch die Links- und SPD-Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) abgelehnt. Argumentiert wurde, dass die Vorfestlegung auf dem Gelände den Erfolg der geschlossenen Grundsatzvereinbarung gefährde. Inzwischen ist diese Unantastbarkeit der Grundsatzvereinbarung jedoch ohnehin in Frage gestellt: ein (ebenfalls wichtiger) Antrag für eine Gemeinschaftssschule auf dem Pankower-Tor-Gelände der SPD- und Links-Fraktionen wurde von der BVV angenommen und soll nun nachträglich durch das Bezirksamt mit dem Investor in die Grundsatzvereinbarung hinein verhandelt werden.

Der ADFC kritisiert, dass die Vereinbarung, die der Bezirk Pankow und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit Dritten geschlossen haben, im Widerspruch zu den Regierungsrichtlinien des Berliner Senats (“Der Bau von Radschnellverbindungen wird vorangetrieben”) und der Koalitionsvereinbarung der rot-rot-grünen Fraktionen (“Die Koalition wird den Bau von Radschnellverbindungen vorantreiben, damit Pendler*innen weitgehend kreuzungsfrei – oder an Knotenpunkten bevorrechtigt – auch größere Distanzen überwinden können”) steht. Wir befürchten, dass durch das Planungsverfahren zum Pankower Tor Fakten geschaffen werden, die dann in der Machbarkeitsstudie des Senats zum Panketrail kaum oder nur schwer wieder aufgefangen werden können. Die Alternative einer Führung an der Bahntrasse muss zwingend auch als Option im weiteren Verfahren vertreten sein. Radschnellwege im Stadtgebiet sind schwierig genug und es wäre absurd, wenn die schnelle Anbindung des Pankower Nordostens für den Radverkehr ausgerechnet an einer Stelle scheitert, an der es bisher keine baulichen Hindernisse gibt.


Ergänzung: Online-Beteiligung zum Pankower Tor

2009 hatte die Firma Krieger (Möbel-Höffner u.a.) das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Pankow-Heinersdorf – für das bisher kein Baurecht besteht – gekauft, um dort Fachmärkte, ein Einkaufszentrum und Wohnungen zu bauen. Seitdem gibt es Diskussionen zwischen Bezirk, Investor und Senat über die notwendige Änderung des Flächennutzungsplans, den Umfang und die Widmung der Bauten. Am 25.04.2018 wurde eine Grundsatzvereinbarung („Letter of Intent‟ = LOI) unterschrieben: Möbelhaus, 25.000 Quadratmeter Einkaufszentrum, 2.000 Wohnungen, eine Grundschule. Am 23. November 2018 wurden die bisherigen Planungen in einer öffentlichen Informationsveranstaltung präsentiert, an die sich eine vierwöchige öffentliche Online-Umfrage anschloss, bei der die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert waren, dem Investor und den Planenden des Projekts „wichtige Anregungen‟ mitzugeben.

Zu den vier Bereichen des Beteiligungsverfahrens – Grün im Quartier, Mobil im Quartier, Einkaufen und Freizeit im Quartier, Leben im Quartier – wurden über 300 (teilweise sehr ausführliche) Beiträge und mehr als 300 Kommentare abgegeben. Ohne der derzeit laufenden offiziellen Auswertung vorzugreifen, zeichnet sich im Bereich Mobilität (mit 120 Beiträgen und 163 Kommentaren) eine klare Mehrheit für einen Vorrang des Umweltverbunds (ÖPNV sowie Fuß- und Radverkehr) gegenüber dem motorisierten Individualverkehr ab, aber auch Konflikte innerhalb des Umweltverbundes werden angesichts der vorliegenden Planungen befürchtet. Schneller Radverkehr passt nicht zwischen Gehwegen und Tramhaltestellen. Mehrheitlich begrüßt wird die Vorgabe, ein autoarmes Wohnquartier zu planen. In anderen Bereichen wird das Einkaufszentrum überwiegend als überdimensioniert und eine Sekundarschule als notwendig angesehen.

Alle Beiträge zur Online-Beteiligung können nachgelesen werden.