Heidekrautbahn – Verkehrswende zugunsten des Umweltverbunds

Zug der Heidekrautbahn (NEB)

Die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) plant, bis 2023 die Stammstrecke Wilhelmsruh – Schildow – Basdorf zu reaktivieren. Davon sind Anwohner*innen und der Umweltverbund mit Bahnübergängen für Straßen und Geh-/Radwege wie am Mauerweg betroffen. Dabei möchten wir angemessen viele Übergänge für Geh-/Radwege erhalten; auf Drängelgitter soll verzichtet werden.

Bild: Zug der Heidekrautbahn – Autor: Hans G. Oberlack – Lizenz: CC-BY-SA-4.0

Seit Januar 2019 planen die Länder Berlin und Brandenburg zusammen mit dem Verkehrsverbund VBB und der NEB, die Stammstrecke der Heidekrautbahn Berlin-Wilhelmsruh – Schildow – Basdorf wieder aufzubauen. Das erfolgt im Rahmen des Projekts i2030 zum Ausbau des Schienenverkehrs. Im 2. Quartal wurden grundsätzliche Überlegungen in mehreren öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt und veröffentlicht.

Die bisherigen Planungen der NEB

Bis 2023 soll der Betrieb aufgenommen werden. Weil diese Strecke niemals entwidmet wurde und nach wie vor von einzelnen Güterzügen befahren wird, ist die Reaktivierung planungsrechtlich verhältnismäßig einfach. Zunächst sollen die Züge zwischen Wilhelmsruh und Basdorf stündlich verkehren. Bis 2030 soll die Strecke von Wilhelmsruh nach Gesundbrunnen verlängert werden und spätestens dann im 30-Minuten-Takt fahren.

Streckennetz der NEB – Grafik: NEB

Das Streckennetz der Heidekrautbahn, links die Stammstrecke mit den vorgesehenen Haltepunkten – Grafik: NEB

Die Strecke selbst ist zum größten Teil vorhanden und muss deshalb „nur“ modernisiert werden. Neu gebaut werden müssen der Bahnhof Wilhelmsruh, etwa 1 km Strecke bis zum Nordgraben und die einzelnen Haltepunkte, die natürlich barrierefrei zugänglich sein müssen.

Mehr Aufwand erfordern die Bahnübergänge (BÜ). Im Stadtgebiet Berlins betrifft das voraussichtlich vier Straßen (in der folgenden Karte die Nummern 3, 6, 7, 10) sowie Geh- und Radwege (Nummern 1, 2, 4, 9). BÜs an Straßen werden technisch gesichert – Lichtsignal mit Gelb- und Rotlicht, Halbschranken für die Fahrbahn, beidseitige Schranken an separaten Geh- und Radwegen (soweit vorhanden). BÜs an Geh-/Radwegen werden ohne technische Sicherung gebaut; die NEB plant dafür neben dem obligatorischen „Andreaskreuz“ und ausreichender Sicht auf die Strecke die Einrichtung von Umlaufsperren („Drängelgittern“).

Diskussionsbedarf besteht darüber, dass die Übergänge 5 und 8 zusätzlich eingerichtet werden sollen und die Drängelgitter nicht notwendig sind.

Übergänge über die Bahntrasse im Stadtgebiet Berlins

Interessen von Betroffenen

Vom Wiederaufbau der Stammstrecke sind die unterschiedlichsten Gruppen betroffen.
  • Die Bewohner*innen der nördlich angrenzenden Gemeinden Mühlenbecker Land und Wandlitz erhalten eine zusätzliche direkte Bahnverbindung nach Berlin.
  • Die Bewohner*innen der nördlichen Teile von Pankow und Reinickendorf erhalten eine direkte Verbindung ins Umland sowie spätestens ab 2030 eine schnelle Verbindung in die Innenstadt.
  • Der Straßenverkehr wird an den Übergängen beeinträchtigt – maximal viermal stündlich für je zwei Minuten.
  • In den Wohngebieten von Wilhelmsruh, Rosenthal und dem Märkischen Viertel (MV) sowie in Erholungsgebieten wie dem Freizeitpark Lübars oder dem Botanischen Volkspark Blankenfelde haben neben dem ÖPNV der Radverkehr und die Fußwegeverbindungen eine große Bedeutung. Die Reaktivierung der Stammstrecke darf nicht zur Trennung der inzwischen zusammengewachsenen Stadtteile führen.
  • Sowohl für den Querverkehr als auch für die Bewohner entlang der Bahnstrecke muss es deshalb eine angemessene Anzahl von BÜs auch für Geh-/Radwege geben.
  • Die Vielzahl der „wilden Querungen“ an der Strecke zwischen Pankow Park und Wilhelmsruher Damm unterstreicht das Bedürfnis der Anwohner*innen an diesen Verbindungen. Leider wurde bislang keiner der Trampelpfade als regulärer Weg geplant und ausgebaut. Diese Versäumnisse müssen vor Betriebsaufnahme unbedingt ausgeglichen werden.

Zur Herstellung der Sicherheit ist im Vorfeld der Betriebsaufnahme eine Kampagne notwendig zur Information und Verkehrserziehung, insbesondere für Kinder und Eltern, z. B. in den Schulen. Die entsprechende Bereitschaft der NEB wird ausdrücklich begrüßt; auch die Stellen des Landes Berlin sollen die NEB dabei unterstützen und in gleicher Weise tätig werden.

Verbesserte Infrastruktur erforderlich

Nur mit Erweiterung des Schienenverkehrs kann der wachsende Verkehr der Zukunft angemessen und im Sinne der Verkehrswende bewältigt werden. Deshalb ist der Wiederaufbau der Heidekrautbahn sehr zu begrüßen.

Andererseits haben sich seit 1990 vielfältige Wegverbindungen zwischen Wilhelmsruh und Rosenthal einerseits und dem MV und Lübars andererseits entwickelt: Von Wilhelmsruh aus werden Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte im MV angesteuert; Radpendler benutzen Abschnitte der Bahntrasse als Abkürzung zwischen MV, Pankow Park und Innenstadt; Kinder aus dem MV benutzen den ehemaligen Mauerstreifen als naturnahen Spielbereich; der Freizeitpark Lübars wird von zahlreichen Pankowern und der Botanische Volkspark Blankenfelde von vielen Reinickendorfern besucht.

Dem muss Rechnung getragen werden, indem im Umfeld der Heidekrautbahn Wege angelegt und an passenden Stellen verbunden werden.

  • Östlich der Bahntrasse ist ein durchgehender Fuß- und Radweg zwischen Bahnhof Wilhelmsruh und Wilhelmsruher Damm einzurichten.
Nummer 8 als „wilde Querung“ – Bild: NEB
  • Als Verbindung zwischen dem MV und Wilhelmsruh sind mindestens zwei Querungen der Bahnlinie zwischen den Haltepunkten Pankow Park und Rosenthal (am Wilhelmsruher Damm) für den Fuß- und Radverkehr erforderlich (in der Karte die Nummern 4 und 5).
  • Auch eine Verbindung zwischen Straße 127 bzw. Friedhof Rosenthal und dem Freizeitpark Lübars (Nummer 8 der Karte) ist notwendig (bisher eine „wilde Querung“ – siehe Bild der NEB). Zusätzlich zu den o. g. Verbindungen für Freizeitpark Lübars und Botanischer Volkspark Blankenfelde soll hier auch eine Route im Vorrangnetz für den Radverkehr entlangführen.

Gestaltung von nicht gesicherten Bahnübergängen

Für BÜs an Geh- und Radwegen bei Nebenbahnen gelten nach § 11 Eisenbahn-Bau und Betriebsordnung diese Regeln:
  • Andreaskreuz
  • ausreichende Übersicht über die Bahnstrecke oder (!) Pfeifsignal
  • Umlaufsperren dürfen (!) angebracht werden, sind aber kein Ersatz für gute Übersicht bzw. Pfeifsignal.
Die NEB möchte aus Rücksicht auf die Anwohner*innen auf das Pfeifsignal verzichten. Umso wichtiger ist die gute Sichtbarkeit auf die Bahnstrecke; außerdem muss ein Übergang zügig und sicher überquert und bei Annäherung eines Zuges schnell freigemacht werden können. Nach unserem Vorschlag kann die Sichtbarkeit durch verschiedene Maßnahmen ergänzt werden:
  • für jede Richtung eine eigene Fahrspur mit Pfeilmarkierungen, dazu Leitlinie als Trennung
  • breite Fahrspuren, damit Fußgänger*innen sowie Fahrer*innen von Rollstühlen oder Fahrrädern jeder Art genügend Platz haben und sich nicht gegenseitig behindern oder gefährden
  • Haltelinie am Punkt für die Sicht auf die Strecke (2,75 m ab Gleismitte)
  • Vorwegweiser für den Bahnübergang

NEB in Templin – Bild: RBB-Abendschau 03.07.2019

Unbedingt sind in den ersten 12 Monaten zusätzliche Hinweise anzubringen, etwa mit dem Inhalt „Achtung, regelmäßiger Zugverkehr wieder aufgenommen“.

Die NEB hatte solche Hinweise an der RB 63 in Templin-Ahrensdorf aufgestellt (siehe Bild aus der RBB-Abendschau vom 03.07.2019).

Gegen Umlaufsperren („Drängelgitter“) an BÜs als zusätzliche Maßnahme sprechen eine Reihe von Gesichtspunkten, zu denen ein eigener Artikel vorbereitet wird.

Beispiele für nicht angemessene Umlaufsperren:

Bild links: Schönwalde (Stammstrecke) für Fußgänger – kein Platz für Begegnungen
Bild rechts: Havelländische Eisenbahn am Spekteweg (Spandau) – Radfahrer sollen absteigen, zu wenig Platz für größere Fahrzeuge, direkt am Gleis kein Platz für Begegnungen

Gemeinsame Stellungnahme von Verbänden

Stellungnahmen von Betroffenen sollen bis Mitte August 2019 bei NEB, Senat und Bezirken eingereicht werden. Weil die Verbände des Umweltverbundes beim Wiederaufbau der Heidekrautbahn gleichgelagerte Interessen vertreten, wurde auf Initiative des ADFC eine „Gemeinsame Stellungnahme“ von ADFC mit BUND, Changing Cities, FUSS e.V. und Verkehrsclub Deutschland erarbeitet und am 19.07.2019 eingereicht und veröffentlicht.

Jürgen Thomas

Download der Gemeinsamen Stellungnahme (PDF, etwa 1 MB)