Mehr Verbindlichkeit im Lärmaktionsplan für die Verkehrswende

Demonstration für Lärmschutz und sichere Radwege auf der B96a
Demonstration für Lärmschutz und sichere Radwege auf der B96a

Mit dem vorgelegten Entwurf des Lärmaktionsplans 2018-2023 für Berlin werden die Maßnahmen zur Verbesserung des Lärmschutzes bei Umgebungslärm aus den Lärmaktionsplänen 2008 sowie 2013-2018 aktualisiert und weiterentwickelt.

Der ADFC Berlin begrüßt grundsätzlich die verfolgte Lärmminderungsplanung seitens der Senatsverwaltung. Auch wird die Fortführung von lärmmindernden Maßnahmen im Straßenraum wie Straßenraumumgestaltungen grundsätzlich begrüßt. Jedoch sehen wir bei den vorgeschlagenen Maßnahmen Konkretisierungen und Formulierungsschärfungen für notwendig an.

Die wirksamste Maßnahme zur verkehrlich bedingten Lärmreduktion bleibt immer noch die Verringerung des motorisierten Individualverkehrs. Hierzu fehlen Maßnahmen wie zum Beispiel die Umwidmung von Autoparkflächen und eine City Maut.

Nach dem Mobilitätsgesetz § 43 muss an allen Hauptverkehrsstraßen eine sichere Radverkehrsanlage gebaut werden. Dies geht auch aufgrund der notwendigen baulichen Maßnahmen aktuell viel zu langsam voran. Mit der kurzfristigen Errichtung von temporären sicheren Radverkehrsanlagen können kurzfristig durch Verlagerungen vom Kfz-Verkehr auf den Radverkehr die Lärmwerte deutlich reduziert werden. Beispielhaft genannt sei hier die B96a im Bereich Baumschulenweg. Hier sind durch die hohe Einwohnerdichte im Geschosswohnungsbau besonders viele Einwohner von der hohen Lärmbelastung durch Straßenverkehrslärm (> 70 dB(A)) betroffen. Durch die Umwandlung der äußeren Fahrspur in eine sichere Radspur wird ein wesentlicher Beitrag zur Lärmminderung erreicht.

Zu den Strategien des vorliegenden Entwurfs “Lärmaktionsplan” im Kapitel 5.2 im Einzelnen:

5.2.1 Fahrbahnoberflächen

Unseres Erachtens greifen die aufgeführten Maßnahmen zu kurz, um eine deutlich wirksamere Lärmminderung zu erzielen. So soll in vielen der vorgeschlagenen Straßen lediglich eine Fahrbahnsanierung durchgeführt werden, ohne an der Aufteilung des Straßenraums und der entsprechenden Priorisierung der Verkehrsmittel etwas zu ändern. Ohne zusätzliche Maßnahmen zur Priorisierung des Umweltverbundes wird der motorisierte Verkehr weiter zunehmen und die Wirkung der Fahrbahnsanierung konterkariert. Es ist zwingend notwendig, jedwede Fahrbahnsanierung mit einer Prüfung zur Straßenraumumgestaltung mit dem Ziel der Umverteilung der Fläche hin zum Umweltverbund zu verbinden.

5.2.2 Zulässige Höchstgeschwindigkeiten

Die proaktiven Anordnungen von nächtlichen Geschwindigkeitsreduzierungen an bewohnten Hauptverkehrsstraßen sind ein erster kleiner Schritt zu Lärmreduzierungen. Anordnungen ohne ständige Kontrolle und Verwarnung inkl. spürbaren Bußgeldern werden nicht eingehalten. Auch werden zeitliche Geschwindigkeitseinschränkungen wenig wahrgenommen und akzeptiert. Daher ist eine dauerhafte Anordnung von Tempo 30 ohne zeitliche Einschränkung auch im Hauptstraßennetz geboten und notwendig. Dieser Schritt dient außerdem der Verstetigung des Verkehrs sowie der Verbesserung der Verkehrssicherheit. Daher müssen die für nächtliches Tempo 30 ausgewählten Streckenabschnitte mit in das Konzept für die ganztägige Tempo-30-Auswahl übernommen werden. Die Anordnungen müssen flankierend durch kontinuierliche Kontrollen und Verfolgung der Überschreitung seitens der Polizei begleitet werden (s. auch 5.4 Verhalten im Straßenverkehr).

5.2.3 Straßenraumgestaltung

Der ADFC Berlin begrüßt ausdrücklich die Fortführung der derzeit projektierten und in Machbarkeitsstudien befindlichen Straßenraumumgestaltungen. Jedoch können die genannten Projekte nur einen Anfang für einen Umbau zu einer lebenswerten, lärmärmeren Stadt darstellen. Die Senatsverwaltung muss weitere Straßenraumumgestaltungen insbesondere an den besonders verlärmten Straßenabschnitten projektieren. Dabei sind sowohl die Vorgaben des Mobilitätsgesetzes in Bezug auf den Umweltverbund als auch Planungen zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität und Ergänzung des Grün- und Freiflächennetzes zu berücksichtigen. Die Belange des MIV sind den genannten Punkten unterzuordnen. Bei den weiteren Planungsschritten in den Bezirken sind die Verbände mindestens über die Fahrräte bzw. Mobilitätsräte frühzeitig und kontinuierlich mit einzubeziehen.

5.2.4 Bundesautobahnen

Das Land Berlin sollte seinen Einfluss bei der DEGES nutzen, um den Umbau des Autobahnkreuzes Funkturm (A100/A115) zu einer schlanken, flächensparenden Lösung voranzutreiben. Diese Lösung sollte mit einer Freigabe von Flächen sowie dem Abrücken von einer weiteren Bebauung bisheriger Freiflächen verknüpft sein. Auch sind im Rahmen der angedachten Führung der Abfahrt über die Jafféstraße schallschutztechnische Maßnahmen zum Schutz der Wohnbebauung „Eichkamp“ zu realisieren.

5.3 Zukünftige Mobilität in neuen Stadtquartieren

Der ADFC Berlin begrüßt die Erarbeitung von Mobilitätskonzepten für neue Stadtquartiere. Allerdings fehlt die konsequente Vorgabe, dass bei den Mobilitätskonzepten eine eindeutige Priorisierung des Umweltverbundes (Fuß, Fahrrad und ÖPNV) bereits im Planungsablauf stattfinden muss. Dabei ist auch die Erschließung in den Stadtquartieren so zu planen, dass autoarme Quartiere entstehen (Vorbild Freiburg-Vauban und Tübingen Französisches Viertel). Die in Anlage 7 formulierten Ziele sind bei allen Konzepten zu übernehmen. Die aufgeführten Maßnahmen sind schon am Anfang der Planungsphase einzufordern und bei jeder Planung zu berücksichtigen. So ist z.B. schon auf Bebauungsplanebene die Anzahl der Stellplätze zu begrenzen und diese möglichst gesammelt unterzubringen. Spätestens ab Bezug der neuen Quartiere sind eine konsequente Parkraumbewirtschaftung sowie eine konsequente Ahndung von Falschparkern notwendig.

5.4 Verhalten im Straßenverkehr

Die aufgeführten Maßnahmen sehen wir als sinnvoll an. Jedoch sind im Sinne des Gesundheitsschutzes die verwendeten Formulierungen des Konjunktives und der Prüfaufträge nicht zielführend. Hier fordern wir, die aufgeführten Maßnahmen konsequent durch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport durchzuführen und diese entsprechend auch den Bezirken als Handlungsvorgabe zu übermitteln. Die Maßnahmen zur freiwilligen Verhaltensänderung werden nur greifen, wenn das entsprechende Verhalten auch konsequent, kontinuierlich und mit einem wahrnehmbaren Bußgeld sanktioniert wird. Dazu gehören nicht nur die Verhängung von Bußgeldern, sondern auch die deutlich zu verstärkende Einziehung bzw. temporäre Stilllegung der Kraftfahrzeuge.

Hier die komplette Stellungnahme des ADFC Berlin Download

Foto: Andreas Paul https://www.diefotografen.de