Heidekrautbahn – offene Fragen und Probleme

Historischer Sonderzug am Wilhelmsruher Damm

Die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) plant, bis 2023 die Stammstrecke Wilhelmsruh – Schildow – Basdorf zu reaktivieren. Auf unsere Initiative haben mehrere Verbände des Umweltverbundes (ADFC, BUND, Changing Cities, FUSS, VCD) am 19.07.2019 bei NEB und Planungsbehörden eine „Gemeinsame Stellungnahme“ eingereicht. In diesem Zusammenhang sind weitere Fragen und Probleme aufgetreten, die in diesem Artikel dargestellt werden.

Bild: Historischer Sonderzug am Wilhelmsruher Damm
Autor: Andre_de – Lizenz: CC-BY-SA-4.0

Die „Gemeinsame Stellungnahme“ legt Wert darauf, dass neben den (unstrittigen) beschrankten Bahnübergängen an Hauptverkehrsstraßen angemessen viele Übergänge für Geh-/Radwege erhalten werden und auf Drängelgitter verzichtet werden soll. In der Zwischenzeit wurden in den beteiligten Bezirken Pankow und Reinickendorf diverse Probleme angesprochen; in der folgenden Übersicht betrifft das die Nummern 1, 4, 5 und 8.

Übergänge über die Bahntrasse im Stadtgebiet Berlins

(Nr. 1) Bahnhof Wilhelmsruh und Querung Mauerweg

Aus der STG Reinickendorf wurde folgender Wunsch vorgetragen:

„Die Heidekrautbahn wird sicher hoch auf das Niveau des S-Bahnhofs Wilhelmsruh geführt, um die in einem weiteren Ausbauabschnitt vorgesehene Fortsetzung nach Gesundbrunnen zu ermöglichen. Hier muss unbedingt darauf geachtet werden, dass bei der Querung des (Mauer-)Radwegs eine breite Radwegunterführung sichergestellt wird, die die Normen von Radschnellverbindungen erfüllt.“ (Ziel ist eine Radschnellverbindung Frohnau – Gesundbrunnen auf stillgelegten Bahntrassen parallel zur S1.)

Allerdings ist die Planung in dieser Hinsicht schon längst weiter. Für den Bahnhof Wilhelmsruh liegt ein Planfeststellungsbeschluss vom 30.12.2010 vor:

  • Danach führt der Mauerweg mit einem ebenerdigen Bahnübergang über die Heidekrautbahn.
  • Der Bahnhof selbst wird auf die Höhe des S-Bahnhofs verlegt; die Strecke soll Richtung Gesundbrunnen per Brücke über die Kopenhagener Straße führen.
  • Zwischen Wilhelmsruh und PankowPark führt die Strecke von der Hochlage zum „normalen“ Gelände.
  • Die Querung des Mauerwegs wird bei Strecken-km 0,3 liegen, also etwa 1 bis 3 Meter über der Umgebung.
  • Geplant wird der Übergang wie folgt (steht so im Planfeststellungsbeschluss II.2.1):
    Zur Absicherung des Fuß- und Radweges wird gemäß § 45 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) Zeichen 201 gegenüber dem Vorhabenträger (d.h. NEB) und Zeichen 274 „5 km/h“ in etwa 3 m Entfernung vor der jeweiligen Umlaufsperre gegenüber dem Tiefbauamt Pankow angeordnet.
    Für den Geh- und Radweg sind 3 m Breite vorgesehen. Die Umlaufsperre soll auch von „Behindertentandems“ genutzt werden können.

In dieser Hinsicht scheint auch die „Gemeinsame Stellungnahme“ um fast 20 Jahre zu spät zu kommen. Eine Unterführung ist nach dieser Planung nicht möglich, sondern würde ein völlig neues Planfeststellungsverfahren benötigen. Da die Heidekrautbahn im Dezember 2023 in Betrieb gehen soll (was sowieso schon ambitioniert ist), wird sich niemand der Verantwortlichen mit einer solchen Neufassung befassen wollen.

Problem 1 – Unterführung: Sicher ist es einfacher, besser und billiger, wenn jetzt eine Unterführung gebaut wird als wenn sie in zehn Jahren oder noch später nachträglich eingerichtet wird. Aber das würde die Planung wesentlich verzögern und verteuern. Ist das gerechtfertigt?

Problem 2 – Gestaltung des Übergangs: Die zitierte Planung (Umlaufsperre, 3 m Gesamtbreite, 5 km/h) wirkt wie eine Behinderung des Rad- und Fußverkehrs. (Beispielsweise empfehlen die ERA 2010 durchgehend, auf Umlaufsperren zu verzichten.) Aber es ist Bestandteil eines zz. rechtskräftigen Planfeststellungsbeschlusses. Wer kann bei wem auf welchem Weg eine Änderung dieser „Nebenbestimmungen“ erreichen, ohne dass der Beschluss als Ganzes beeinträchtigt wird?

Allgemeines zu weiteren Übergängen

Die NEB möchte an allen Bahnübergängen für Geh-/Radwege auf technische Sicherung (Schranken, Lichtsignal) verzichten und zusätzlich zur erforderlichen „freien Sicht auf die Strecke“ nicht erforderliche Umlaufsperren („Drängelgitter“) einrichten. Die Gemeinsame Stellungnahme begründet ausführlich, warum Drängelgitter abzulehnen sind, und bringt eine Reihe anderer Vorschläge zur Sicherheit an den Übergängen.

Problem: Wer kann wie auf welchem Weg auf die weitere Planung Einfluss nehmen, damit auf Drängelgitter verzichtet wird?

Weitere Bahnübergänge ohne technische Sicherung sind bisher „wilde Querungen“ und sollten möglichst „fest“ eingerichtet werden; dies betrifft die Übergänge 4, 5 und 8. Aus Reinickendorf ist nur die mündliche Antwort auf eine Bürgeranfrage bekannt (siehe am Ende der Link zu den Audioprotokollen). In der BVV / Verkehrsausschuss Pankow wurden die Themen wiederholt behandelt. Was sich daraus entwickeln kann, ist offen, zumal unklar ist, inwieweit die Bezirksämter miteinander und mit der NEB arbeiten.

Die NEB will die wilden Querungen (d. h. solche, die sich als Trampelpfad entwickelt haben) stilllegen. Sie ist bereit, sie einzurichten, stellt aber Forderungen an das Land (also auch an die Bezirke): Die Anschlusswege müssen befestigt werden. (Das bedeutet auch, dass die Eigentumsverhältnisse geklärt sein müssen und Land/Bezirke über die Wege verfügen können.) Solche Übergänge werden nur bei ausreichender Sicherheit akzeptiert – entweder bei freier Sicht auf die Strecke oder mit technischer Sicherung (Schranke bzw. Rotlicht); die Kosten für technische Sicherung seien vom Land zu tragen.

Das Bezirksamt Reinickendorf beruft sich darauf, dass die Heidekrautbahn ausschließlich auf Pankower Gebiet verläuft. Es habe also mit der eigentlichen Planung und Finanzierung nichts zu tun, sondern müsse sich allenfalls um den Zustand einiger Wege kümmern. Im Übrigen könne es nur eigene Ziele benennen. Für die Finanzierung (darauf laufe es letztlich hinaus) brauche der Bezirk Senat und Bahn.

(Nr. 4) Humboldtspur

Als „Humboldt-Spur“ wird Nummer 16 der „20 grünen Hauptwege“ Berlins bezeichnet; er verläuft parallel zum nördlichen Ufer des Nordgrabens. Für die Heidekrautbahn ist relevant, wo dieser Weg künftig die Trasse quert und wie er an den örtlichen Geh- und Radverkehr angebunden wird.

  • Bisherige Überlegung der NEB war ein Geh-/Radweg von der Lessingstraße aus östlich der Bahn-Trasse mit Querung etwa auf Höhe der Brücke über den Nordgraben.
  • Das Bezirksamt Pankow (Aussage Stadtrat Kuhn im Verkehrsausschuss) ist der Meinung, dass der Parkplatz Lessingstraße 70 als Privatgrundstück nicht einfach für einen solchen Weg „angeknabbert“ werden kann; stattdesssen soll der Weg westlich der Bahn-Trasse geführt werden. (Dadurch entfällt der bisher vorgesehene Übergang (OpenStreetMap-Link) und der querende Fuß-/Radverkehr nutzt den gesicherten Übergang an der Lessingstraße.)
  • Das Bezirksamt Reinickendorf fordert wegen des starken Verkehrs einen sicheren Übergang mit Schranke und Lichtsignal.
  • Anwohner von Wilhelmsruh halten die Pankower Lösung für unzumutbar, weil die Kinder auf dem Schulweg bei diesem Verlauf zusätzlich das ungesicherte Anschlussgleis zum Industriegelände Stadtler & Co. queren müssten. (Diese Einschätzung scheint unangemessen zu sein, weil der Güterverkehr nur ab und zu stattfinden wird.) Zusätzlich ignoriert Pankows Lösung den Wunsch nach einem durchgehenden Geh-/Radweg östlich der Bahn-Trasse, wie er auch im Rahmen des Grünen Bands Berlin vorgesehen ist (im Detail gibt es dazu bisher nur mündliche Äußerungen über Changing Cities und von SenUVK).

Problem: Welche Stellen befassen sich damit? Wie kann eine passende, zukunftssichere Lösung aussehen? Wie kann man/wir sich dazu einbringen?

(Nr. 5) Übergang vom CVJM-Heim zum Friedhof VII

Es handelt sich um den städtischen Friedhof Wilhelmsruh/Rosenthal an der Uhlandstraße, der im Mauerstreifen lag. Der Übergang dort soll nach Planung der NEB nicht gebaut werden. Für Pankow (Stadtrat Kuhn) gibt es alte Wegebeziehungen, die wiederhergerichtet werden können. Reinickendorf sagt, dass auch Anwohner*innen aus dem Märkischen Viertel den Friedhof nutzen und den Weg benötigen. Anwohner sehen das genauso.

Problem: Bisher ist nicht zu erkennen, dass der einheitliche Wunsch der Beteiligten auch zu einem entsprechenden Ergebnis führt.

Lösung: Nach langem Hin und Her haben die NEB und der Bezirk Pankow am 26.11.2020 eine Planungsvereinbarung für diesen Bahnübergang abgeschlossen. Er soll eine Kreuzung für den Fuß- und Radverkehr ermöglichen; die NEB erwartet eine „technische Sicherung“. Ob die Kosten vom Land oder vom Bezirk übernommen werden, ist noch ungekläft, aber daran soll es nicht scheitern.

(Nr. 8) Übergang zwischen Freizeitpark Lübars und ev. Friedhof Rosenthal

Diese Verbindung wird stark genutzt. (Vergleiche auch die „Gemeinsame Stellungnahme“.)

Übergang zwischen Freizeitpark Lübars und ev. Friedhof Rosenthal

Übergang von Rosenthal aus zum Freizeitpark Lübars (derzeitiger Zustand)

  • Die NEB will die Querung aufheben. (Genauer: Für einen ungesicherten Übergang fehle die freie Sicht auf die Strecke; deshalb dürfe das nicht sein. Wenn die Bezirke hier einen Übergang wünschten, müsse er technisch gesichert werden; das muss vom Land bzw. den Bezirken bezahlt werden.)
  • Pankow sollte prüfen (Auftrag des Verkehrsausschusses an die Verwaltung), ob die Wege im öffentlichen Eigentum sind oder übergeführt werden können und ob sie baulich hergerichtet werden können. Tatsächlich hat Stadtrat Kuhn auf jegliche genauere Prüfung verzichtet (sinngemäß): Die NEB akzeptiert allenfalls einen gesicherten Übergang; das kann nicht finanziert werden; also ist weitere Prüfung hinfällig.
  • Reinickendorf fordert auch hier einen sicheren Übergang mit Schranke und Lichtsignal.
  • Anwohner fordern teilweise nicht nur den Erhalt dieses Übergangs, sondern legen wert auf die barrierefreie Gestaltung. Dem entspricht der bisherige Weg auf Reinickendorfer Seite nicht, weil er nicht befestigt ist und auf kurzer Wegstrecke etwa 5 m Höhenunterschied zu überwinden ist.
  • Es wurde auch schon von einem Alternativvorschlag gesprochen: Die Brücke im Zuge der ehemaligen Industriebahn Tegel – Friedrichsfelde soll für den Fuß- und Radverkehr aufgebaut werden und durch entsprechende Rampen sowohl die Verbindung zum Freizeitpark Lübars als auch den Mauerweg aufnehmen (das könnte auch eine Querung für den Mauerweg etwa 300 m weiter nördlich ersetzen).

Problem 1 (wird in der Gemeinsamen Stellungnahme angesprochen): Wie kann die NEB veranlasst werden, die Sichtbeziehungen erneut zu prüfen?

Problem 2: Wie können die unterschiedlichen Positionen zu einem Kompromiss gebracht werden? (Das betrifft sowohl ein geeignetes Gremium/Forum als auch mögliche Inhalte.)

Problem 3: Gibt es eine Finanzierungsmöglichkeit für einen gesicherten Übergang oder für eine Brücke?

Weitere Informationen

Autor: Jürgen Thomas