Zwei Geisterräder in Buch und Wedding

Im Abstand von zwei Tagen sind zwei Radfahrende im Verkehr ums Leben gekommen. Der ADFC Berlin hat für sie am 3. Oktober 2021 jeweils ein Geisterrad aufgestellt.

Am 29.09.2021 stürzte ein 86-Jähriger im Pölnitzweg (Buch/Pankow) aus bisher unbekannten Gründen. Wegen schwerer Kopfverletzungen wurde er in ein Krankenhaus gebracht, wo er am Abend verstarb.

Am 01.10.2021 wurde eine 29-jährige Radfahrerin an der Einmündung von der Schönwalder Straße (Gesundbrunnen/Wedding) in die Reinickendorfer Straße vom Fahrzeug eines 43-jährigen Lkw-Fahrers überrollt und schwer verletzt und verstarb noch an der Unfallstelle.

Mit einer #VisionZero-Fahrraddemonstration mit Kundgebungen und zwei Mahnwachen gedachten der ADFC Berlin e.  V. und Changing Cities e. V. der Radfahrenden.

#VisionZero-Fahrraddemonstration

Die Geisterräder hatte der ADFC Berlin mit der #VisionZero-Fahrraddemonstration vom ADFC-Velokiez zu den Unfallorten gebracht. Bereits beim Start dieser Fahrt fuhren 50 Personen mit; unterwegs reihten sich ca. 20 weitere Radfahrerinnen und Radfahrer ein. Mit der Demonstration bekräftigte der ADFC Berlin die Zielsetzung des Mobilitätsgesetzes, dass sich keine Verkehrsunfälle mit schweren Personenschäden ereignen. Neben allgemeiner Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme gehört dazu auch eine „fehlerverzeihende Infrastruktur“. Lkw müssen endlich mit Technik ausgestattet werden, die tödliche Kollisionen verhindern!

Bei der ersten Mahnwache in Buch waren etwa 80 Radfahrer:innen anwesend. Anschließend wurde die Demo-Fahrt fortgesetzt zur zweiten Mahnwache in Wedding. Dort gab es etwa 150 Teilnehmer:innen, darunter viele Angehörige und Freund:innen der Getöteten sowie Anwohner:innen.

Die #VisionZero-Demo wurde danach fortgeführt zum Bundesverkehrsministerium. Die Abschlusskundgebung begann mit 90 Teilnehmer:innen; nach wie vor war es nötig, die Forderungen an die Politik zu wiederholen und zu bekräftigen.

(Allein-)Unfall in Buch

Geisterrad Pölnitzweg 5 / Buch

Die genauen Umstände des Unfalls sind unbekannt, auch die Pressemeldung der Polizei Berlin liefert nur Anhaltspunkte. Der 86-jährige Radfahrer befuhr den Pölnitzweg von Alt-Buch kommend Richtung Röntgentaler Weg. Auf Höhe der Hausnummer 5 stürzte er. Denkbar ist, dass er von der Fahrbahn auf den Gehweg (Radverkehr frei) wechseln wollte und die Höhe der Bordsteinkante an einer Grundstückszufahrt falsch einschätzte. Passanten alarmierten Rettungskräfte, die den Mann in ein Krankenhaus brachten, wo er am Abend verstarb. Nach den bisherigen Ermittlungen sind andere Personen am Unfall nicht beteiligt.

Mahnwache Pölnitzweg 5 / Buch

Es gibt nur Vermutungen: Der Radfahrer könnte an dieser Grundstückszufahrt gestürzt sein; als Hinweis gilt das hier angeschlossene Fahrrad.

Auf der Mahnwache sprachen Stefan Gammelien (ADFC Tempelhof, Changing Cities), SuSanne Grittner (ADFC Berlin) und Arne Ludorff (Changing Cities). Neben Beileid für die Angehörigen, Freund:innen und ehemaligen Kolleg:innen wurde auch allgemein die Verkehrssicherheit in Berlin angesprochen.


Bei dem Radfahrer handelt es sich um den 8. getöteten Radfahrenden in diesem Jahr.

Polizeimeldung „Radfahrer stirbt nach Sturz“

Unfall in Wedding durch Lkw-Fahrer

Bei diesem Unfall sind die äußeren Umstände ziemlich eindeutig: Die 29-jährige Radfahrerin kam aus der Schönwalder Straße (Gesundbrunnen/Wedding) und wollte an der mit Ampel geregelten Einmündung zur Reinickendorfer Straße halblinks in die Fennstraße abbiegen. Ein 43-jähriger Lkw-Fahrer, der links neben ihr fuhr, bog laut Polizeimeldung „unvermittelt nach rechts in Richtung Nettelbeckplatz“ ab. Dabei wurde die 29-Jährige überrollt, schwer verletzt und verstarb noch an der Unfallstelle.

Mahnwache Schönwalder Straße / Wedding

Bei der Mahnwache sprach Denis Petri (Changing Cities) Mitgefühl und Solidarität mit den Angehörigen und Freund:innen aus. Außerdem ging er ausführlich auf die Versäumnisse der Politik in der vergangenen Legislaturperiode ein und verband das mit Forderungen an die künftige Regierung.

Geisterrad  Schönwalder Straße / Wedding

Craig Morris hat freundlicherweise ein Video von der Mahnwache und Geisterrad-Aufstellung erstellt und hochgeladen.

Gegenüber SuSanne Grittner (ADFC Berlin) hatten Anwesende, die um Maxi (die Radfahrerin) trauerten, vom Verlust einer wertvollen Freundin gesprochen. SuSanne: „Bei Verkehrsunfällen geht es nicht nur um Zahlen, sondern um Menschen.“ Auch kritisierte sie die Wortwahl der Polizeimeldung: Nicht der abbiegende Lastwagen habe den Unfall verursacht, sondern der Lkw-Fahrer, der ihn ohne genügend Aufmerksamkeit gesteuert habe.


Bei der Radfahrerin handelt es sich um die 9. getötete Radfahrende in diesem Jahr.

Polizeimeldung „Bei Verkehrsunfall tödlich verletzt“

Bericht bei RBB24 (mit Foto nach dem Unfall: Lkw mit leerem Anhänger in großem Bogen)

ADFC-Forderungen zur Verhinderung von tödlichen Lkw-Unfällen

Forderungen an die Politik

Bei der Abschlusskundgebung vor dem Verkehrsministerium musste SuSanne Grittner die schon oft gestellten Forderungen wiederholen: Abbiegeassistent mit Kollisionserkennung und Notstopp für alle Lkw. Die bisherigen Regelungen – ab 2022 verpflichtende Assistenten, die jedoch nur signalisieren oder anzeigen (Brummen, Blinken, Monitor) und nur bei neu zugelassenen Typen – reichen nicht! Seit 2020 ist beim Abbiegen von Lkws Schrittgeschwindigkeit vorgeschrieben, aber das wird bisher kaum kontrolliert und Verstöße nicht ausreichend sanktioniert.

Solche Unfälle geschehen innerorts und bei eher niedrigem Tempo. SuSanne Grittner: „Laut Gutachten, die regelmäßig vor Gericht vorgetragen werden, verstreichen 3 bis 8 Sekunden zwischen Kollision und Überrollen; das reicht für den Notstopp bei Schrittgeschwindigkeit.“ Auch würde entgegen von Befürchtungen der Speditionen bei dieser Geschwindigkeit die Ladung nicht gefährdet werden.

Ergänzend forderte SuSanne Grittner Tempo 30 innerorts zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Auch bedauerte sie, dass die Lkw-Fahrer nicht mit uns zusammen vor dem Ministerium demonstrierten: „Die müssten auch Interesse daran haben, dass solche Unfälle nicht mehr geschehen.“


Fotos: Daniel Pepper (ADFC Berlin) – Verwendung erlaubt unter Beachtung der DSGVO, mit Kennzeichnung “Foto: Daniel Pepper” und Verwendungsnachweis vor der Nutzung per E-Mail an daniel.pepper@adfc-berlin.de

Getötete Radfahrende 2021: www.geisterraeder.de

Hinweise zu einer Mahnwache im Zusammenhang mit einer Geisterradaufstellung