Geisterrad in Lichterfelde
Am 28. August 2020 hat der ADFC ein weiteres Geisterrad aufgestellt, nachdem ein Radfahrer bei einem Verkehrsunfall gestorben ist.
Der Radfahrer war am 29. Juli an der Kreuzung Goerzallee/Drakestraße/Hindenburgdamm/Königsberger Straße von einem Pkw-Fahrer erfasst worden. Ursprünglich hatte die Polizei von „augenscheinlich nur leichten Verletzungen“ gesprochen; aber der 82-jährige Radfahrer ist noch in der Nacht im Krankenhaus verstorben. Die Obduktion hat ergeben, dass schwere Verletzungen aufgrund des Unfalls zum Tod geführt haben.
Die Obduktion hatte Zeit benötigt; deshalb fand die Mahnwache (abweichend vom üblichen Vorgehen) erst nach einem Monat statt. Der Verein Changing Cities organisierte die Mahnwache, in deren Rahmen der ADFC das Geisterrad aufstellte. Insgesamt gedachten etwa 80 Teilnehmer*innen des Radfahrers. Anders als sonst sperrte die Polizei nur einen Teil der Kreuzung; dadurch wurde die Mahnwache durch Verkehrslärm und Hupen spürbar gestört.
Ansprache bei der Gedenkkundgebung
In seiner Ansprache zur Mahnwache fiel es Dirk Schneidemesser von Changing Cities nach seiner Aussage schwer, etwas Neues zu sagen – vor allem nachdem in der Vorwoche vier ungeschützte Verkehrsteilnehmer*innen im Straßenverkehr ums Leben gekommen waren. „Als wenn es Routine wäre. Aber es war keine Routine für den Getöteten und seine Angehörigen und auch nicht für den Verletzten vor einer Woche.“ Am 21.08.2020 erlitt ein 25-jähriger Radfahrer an derselben Kreuzung schwere Verletzungen am Kopf und an den Beinen, zum Glück ohne Lebensgefahr.
Stilles Gedenken der Teilnehmenden an der Mahnwache
Ungeklärter Unfallhergang
Bei dem tödlichen Unfall am 29. Juli kam der Radfahrer aus der Drakestraße zur Kreuzung. Gleichzeitig war ein 34-jähriger Pkw-Fahrer vom Hindenburgdamm her unterwegs. Als er gemäß Zeugenaussagen die Kreuzung in Richtung Goerzallee bei Grün überquert haben soll, soll der Radfahrer von rechts kommend die Fahrbahn in Höhe der Fußgängerfurt überquert haben. Allerdings sind noch Fragen offen, die bei weiteren Ermittlungen der Polizei zu klären sind. Ist der Radfahrer wirklich bei Rot gefahren? Oder haben sich Zeugen geirrt? Oder gibt es missverständliche oder fehlende Ampeln bzw. ungeeignete Schaltungen?
#VisionZero-Demonstration für mehr Verkehrssicherheit
Die Demo mit Transport des Geisterrads vom Velokiez zur Mahnwache
Die #VisionZero-Demonstration des ADFC führte mit etwa 50 Radfahrenden vom ADFC zur Mahnwache, um den grundsätzlichen Forderungen nach mehr Verkehrssicherheit Nachdruck zu verleihen. Wenige Tage vor dieser Mahnwache haben ADFC und Changing Cities in einer Stellungnahme kurzfristige Maßnahmen zur Reduktion der Verkehrsunfälle in Berlin gefordert, darunter die Einrichtung einer Task Force „Verkehrssicherheit“ durch den Regierenden Bürgermeister. Daniel Pepper, im Vorstand des ADFC Berlin für Verkehrssicherheit zuständig, betonte in diesem Zusammenhang: „Die Vorgaben von § 21 des Mobilitätsgesetzes müssen zügig umgesetzt werden. Nach tödlichen Unfällen muss umgehend geprüft werden, welche Maßnahmen an dieser Kreuzung – sowie an vergleichbaren Kreuzungen – erforderlich sind, um die Sicherheit zu erhöhen.“
Wiederholte Unfälle im gleichen Bereich
An dieser Kreuzung wurden mehrfach schwere Unfälle registriert. Nach einem Unfall am 9. April 2011 verstarb eine 70-jährige Radfahrerin; seither gab es fast jedes Jahr mehrere Unfälle mit verletzten Radfahrenden (jedenfalls soweit sie in die Unfallstatistik eingegangen sind). Rein formal zählt die Kreuzung nicht zu den Unfallschwerpunkten; die Voraussetzung wären mindestens fünf Unfälle gleichen Typs (also Rad vs. Kfz) innerhalb eines Jahres. Die Unfallkommission hat lediglich veranlasst, dass eine der Radfahrerfurten ummarkiert und rot eingefärbt wurde.
Unabhängig von der offiziellen Unfallstatistik ist die Kreuzung sehr verkehrsreich; viele Radfahrende fühlen sich bedrängt und gefährdet. Da muss mehr getan werden.
(Fotos: ADFC Berlin)
#VisionZero-Demonstration zum Unfallort
Polizeibericht „Nach Verkehrsunfall in Krankenhaus verstorben“