Reinickendorfer Industriegeschichte-II 2020-10-11 (Bericht)

Am Sonntag, den 11. Oktober 2020 fand der zweite Teil der historischen Radtour durch Reinickendorf statt. In drei Stunden und auf einer Strecke von ca 10km Länge wurde den Teilnehmern die Geschichte der frühen Industrialisierung Reinickendorfs näher gebracht. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv statt.

Kurz nach 10:00h begaben sich 18 Radelnde auf die Strecke der historischen Radtour-II. Vom S-Bahnhof Alt-Reinickendorf aus führte die Tour durch das Märkische Viertel über Hermsdorf zum S-Bahnhof Waidmannslust.

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Start am S-Bahnhof Alt-Reinickendorf

Geleitet vom Referenten Norbert Ritter vom Berlin-Brandenburgischen-Wirtschaftsarchiv und begleitet vom ADFC wurden zunächst die frühen Industrieansiedlungen an der Roedernallee angefahren. In der Lengederstr wurde die z.Zt. weltweit agierende Seilfabrik gestreift – ein sogenannter ‘hidden Champion’. Am Interessentenweg, auf der westlichen Seite der S1, konnte das heute noch stehende Gebäude eines Eisherstellers besehen werden. Dort wurden Anfang des vorigen Jahrhunderts in den angrenzenden Spektewiesen Eisteiche angelegt, aus denen im Winter Eisblöcke geschnitten wurden, mit denen im Sommer Lebensmittelbetriebe, Brauereien und Gastwirte beliefert wurden. Die 1873 patentierte Kältemaschine von Carl Linde leitete jedoch die industrielle Eisproduktion und damit den Untergang der landwirtschaftlich betriebenen Eisgewinnung ein.

Der Nordgraben war ursprünglich zur Entlastung der Panke angelegt worden, damit das Schmutzwasser der nördlich gelegenen Rieselfelder bei Starkregenfällen in den Tegelersee abgeleitet wird. Später sollte er – als Gegenstück zum Teltowkanal – zum Nordkanal ausgebaut werden mit dem Nord-Hafen auf dem Areal des heutigen Märkischen Viertels. Wie man heute weiß wurde diese Planung nicht umgesetzt. Mit dem Bau des Märkischen Viertels wurden die dort ansässigen Firmen auf ein Gelände am Zerpenschleuserring umgesiedelt. Dort erblühte für kurze Zeit ein Zentrum für magnetische Ton- und Bildspeicher. Von dem einstigen Lübarser Güterbahnhof – nördlich des Märkischen Viertels – ist nicht mehr viel zu erkennen.

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Ehemaliger Güterbahnhof-Lübars

Vorbei an der AEG-Siedlung führte die Tour zu den gefluteten, ehemaligen Tongruben mit dem Lübarser Freibad als seinem bekanntesten Vertreter. Anfang des 19.Jahrhunderts wurde hier Ton für die Ziegelherstellung abgebaut. In der Junostr 2 erfuhren die Teilnehmer die wechselvolle Geschichte des Seeschlosses. Das zu Beginn des 19. Jahrhundert von Wernecke erbaut, anfangs als Ziegelei betrieben wurde und später von Lessing dann zur Tonwarenfabrik mit künstlerischen Ansprüchen umgestaltet wurde.

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Ehemalige Ziegelei-Hermsdorf in der Junostr

Über die Almutstr und die B96 ging es zum Supermarkt-Parkplatz an der Berliner-Straße, wo sich das bis 1920 betriebene Gaskraftwerk Hermsdorf befand, von dem heute jedoch nur noch wenig zu erkennen ist. Vorbei an der Mühlenkneipe führte die Tour in die Düsterhauptstr wo mit dem Aufkommen der Fliegerei gleich zwei Propellerfabriken entstanden. Nach 3 Stunden und ca 10Km fand die Tour ihren Abschluss am Oranienburgerdamm. Dort wo heute ein Baumarkt steht produzierte einst die Firma Budweg Petroleum-Lampen. Mit dem Aufkommen der elektrischen Glühbirne war die Fabrik jedoch nicht mehr konkurrenzfähig. Auf dem Gelände produzierten danach die Volta Werke u.a. riesige Transformatoren, die für die Elektrifizierung Berlins gebraucht wurden.