Geisterrad in Marienfelde (Nähe S-Bahnhof)

Erneut musste der ADFC ein Geisterrad für einen im Verkehr getöteten Radfahrer aufstellen – am 19. Juli 2021 an der Marienfelder Allee Nähe S-Bahnhof Marienfelde.

Am 16. Juli 2021 befuhr ein 77-jähriger Radfahrer die Marienfelder Allee aus Richtung Süden kommend in Richtung Großbeerenstraße. Als er an einer Baustelle auf den Gehweg fuhr, stürzte er an einem Steinpoller. Den schweren Verletzungen erlag er am nächsten Tag in einem Krankenhaus.

Mit einer #VisionZero-Fahrraddemonstration und einer Mahnwache gedachte der ADFC Berlin e.  V. des Radfahrers.

#VisionZero-Fahrraddemonstration

Das Geisterrad hatte der ADFC mit einer #VisionZero-Fahrraddemonstration vom ADFC-Velokiez zum Unfallort gebracht. Bereits beim Start fuhren 40 Personen mit.

Mit der Demonstration bekräftigte der ADFC Berlin die Zielsetzung des Mobilitätsgesetzes, dass sich keine Verkehrsunfälle mit schweren Personenschäden ereignen. Neben der Einhaltung der Regeln gehören dazu ständige Vorsicht und Rücksichtnahme bei allen Verkehrsteilnehmer:innen.

Mahnwache und Aufstellung des Geisterrads

An der Mahnwache beteiligten sich etwa 80–100 Personen, darunter viele Angehörige und Freunde des Getöteten und auch die für Verkehr zuständige Bezirksstadträtin Christiane Heiß. In ihrer Gedenkrede sprach Mechtild Lutze (ADFC-Stadtteilgruppe Tempelhof) den Angehörigen, Freunden, Bekannten, Nachbarn des 77-jährigen Mannes Anteilnahme und Mitgefühl aus. „Es ist schlimm – ein Angehöriger will nur kurz etwas erledigen und kommt nicht wieder zurück. Das ist unfassbar!“

Ausführlich ging Mechtild auf die Umstände an der Unfallstelle ein. Diese Baustelle an der Bahnbrücke besteht schon länger als ein Jahr und wird – auch wegen Verzögerungen beim Bau der „Dresdner Bahn“ – noch länger bestehen. Dieser tödliche Unfall wäre wohl vermeidbar gewesen durch andere Prioritäten im Straßenverkehr, nämlich zugunsten der „schwächeren“ Verkehrsteilnehmer:innen. „Sicherer sind gut geführte Radspuren, auch an Baustellen, auf der Fahrbahn“ entsprechend dem Mobilitätsgesetz von 2018. Gefordert wird die gleichberechtigte Aufteilung des Straßenraums für alle Verkehrsteilnehmer:innen auch an dieser Stelle.

Nach einigen Schweigeminuten stellte der ADFC das Geisterrad an der Unfallstelle auf. Angehörige, Freunde und weitere Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, ihre Anteilnahme durch Kerzen und Blumen zu zeigen.

Selbstverschuldet? Nein, provoziert durch die Umstände!

Nach der Polizeimeldung „fuhr der Mann baustellenbedingt auf den Gehweg, wo er gegen einen Steinpoller fuhr, zu Boden stürzte und sich schwerste Kopfverletzungen zuzog“. Das liest sich eher wie: selbst schuld, wieso passt er nicht auf, soll er doch absteigen und schieben.

Das linke Bild (von Margarete Wegner) zeigt die Situation am Unfalltag; das oben abgeschnittene Schild ist Zeichen 240 als benutzungspflichtiger Geh-/Radweg.
Das rechte Bild zeigt (in Gegenrichtung) die „Nachbesserung“ einige Tage nach dem Unfall.

Falsch! Die gesamte Situation an der Unfallstelle ist fahrlässig schlecht gestaltet; man kann tatsächlich einen solchen Unfall als zwangsläufig bezeichnen: Der Wechsel von der Fahrbahn auf den Gehweg ist schlecht markiert und viel zu kurz; für die Auffahrt im Winkel ist die Rampe viel zu steil gebaut, wie selbst auf den Bildern zu erkennen ist; die Situation ist sehr unübersichtlich durch die aufgestellten Leitbaken, die gelben Fahrspurmarkierungen, die Beschilderung und vor allem die massiven Steinpoller.

Besonders erschreckend ist die Tatsache, dass die Absperrung zwischen Fahrbahn, Pollern und Gehweg erst kurz vor der Mahnwache aufgestellt wurde.

Solche Poller – massiv, ohne auffällige Färbung, ohne Reflektierung – sind neben einem Geh-/Radweg gefährlich. Hätte doch wenigstens ein/e Verantwortliche/r für diese Führung an der Baustelle vorher richtig nachgedacht …

Inzwischen wurde nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz auf Initiative über FragDenStaat die Anordnung von SenUVK für diese Baustelle bekannt. Dadurch wird klar, dass die Verantwortung irgendwo bei der Planung liegt: keine Beachtung der Poller (Radführung wird direkt auf die Poller geleitet), nur Baken, keine Vorgabe für die Rampe.

Tödlicher Unfall am 18. Juni 2018 fast an gleicher Stelle

Vor drei Jahren gab es hier an der Marienfelder Allee, auf der anderen Seite der Brücke, einen tödlichen Radunfall. Der Radfahrer kam aus Mariendorf und nutzte auf dieser gefährlichen hochfrequentierten Straße, mit breiten Fahrspuren, mangels einer Radspur den Gehweg, nämlich aus Angst auf der Straße zu fahren. Es kam zu einer tödlichen Kollision mit einem anderen Radfahrer, der mangels einer Radverkehrsanlage ebenfalls auf dem Gehweg fuhr.

Seitdem ist hier nichts passiert für den Radverkehr – ein unerträglicher Zustand!

Untätigkeit der Behörden

2016 hat das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg aus Kapazitätsgründen die Planung und Durchführung einer Radverkehrsanlage hier an der Mariendorfer Allee und der Karl-Theodor-Schmitz-Brücke an die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) abgegeben.

Seit Oktober 2019 fragt der ADFC Tempelhof bei SenUVK zum Stand der Radwegeplanung für diese Stelle nach. Antwortschreiben mit größerer Zeitverzögerung seitens SenUVK weisen u.a. auf die neuen Anforderungen durch das 2018 verabschiedete MobilitätsGesetz hin sowie auf Verzögerungen der Planungen und Durchführung, bedingt durch den Beginn der Bauarbeiten für die Dresdner Bahn. Weitere Verzögerungen für die gesetzlich vorgeschriebene Umsetzung einer sicheren Radverkehrsanlage werden der Corona-Pandemie zugeschrieben.

Inzwischen wissen wir, dass SenUVK eine Busspur mit ausreichender Breite hier favorisiert, die dann für den Radverkehr freigegeben wird; für einen Busfahrstreifen und einen getrennteh Radstreifen sei nicht genügend Platz vorhanden.

Am 11. Juni 2021 hat der ADFC für sicheres Radfahren auch in Marienfelde demonstriert. Die Demo hat genau an der Unfallstelle vorbeigeführt mit einer Kundgebung hinter der Brücke (Foto: Stefan Gammelien); der ADFC hat sichere Radverkehrsanlagen gefordert und auf die unzureichende gefährliche Lenkung der aktuellen Radführung hingewiesen.


(Fotos: ADFC Berlin – Daniel Pepper u.a.)

Polizeimeldung „Fahrradfahrer nach Sturz verstorben“ – 17. Juli 2021

Getötete Radfahrende 2021

Getötete Radfahrende 2018

Mahnwache für tödlich verunglückten Radfahrer in Marienfelde und Fahrraddemo für die #VisionZero zum Roten Rathaus – Aufruf zur Mahnwache am 20. Juni 2018

Geisterräder in Rummelsburg, Spandau und Marienfelde – Bericht von der Mahnwache am 20. Juni 2018

Wir wollen sicher Radfahren – auch in Marienfelde – Aufruf zur Demo am 11. Juni 2021

Hinweise zu Mahnwachen und Geisterradaufstellung