Verkehrswende praktisch – 17.08.2021 Eine der meistbefahrenen Radstrecken Berlins

Zusammen mit Kandidat:innen und interessierten Bürger:innen erkunden wir im Wahlkampf 2021 Potenziale und Probleme wichtiger Radstrecken im Bezirk Pankow.

Vom Schönhauser Tor zum Pankower Anger
Gemeinsame Herausforderung für sehr unterschiedliche Streckenabschnitte: Fahrkomfort für den Radverkehr erhöhen, Verkehrssicherheit verbessern, Liefer- und Versorgungsverkehre ermöglichen und die Leistungsfähigkeit der Strecke für den fließenden Rad- und öffentlichen Verkehr steigern.

Unsere erste Tour im Wahlkampfherbst 2021 führt uns von der Bezirksgrenze über die Schönhauser Allee und Berliner Straße zum Pankower Anger. Dort wenden wir und fahren ein kurzes Stück zurück. Im Zollhaus Pankow haben wir die Möglichkeit zu einem abschließenden Austausch.

Start: 17:30 Linienstraße zwischen Alter Schönhauser Straße und Rosa-Luxemburg-Straße

Aufteilung der Verkehrsfläche

Viele Radfahrende befahren die gesamte oder mindestens einen erheblichen Teil der Strecke im Durchgangsverkehr zwischen Mitte und Pankow bzw. Niederschönhausen. Dabei sind auf der gesamten Strecke die Verkehrsflächen für den Radverkehr unzureichend: Breiten von 1,50 m oder weniger sind viel zu wenig, um den jetzt schon vorhandenen Radverkehr aufzunehmen. Dies führt zu zahlreichen Konflikten zwischen Radfahrer:innen untereinander sowie mit Fußgänger:innen auf den angrenzenden Gehwegen.

Benutzungspflicht durchgängig aufheben

Auf einem großen Teil der Strecke besteht Wahlfreiheit, und die ursprünglich angeordnete Benutzungspflicht wurde in großen Abschnitten per Gerichtsbeschluss gekippt. Jedoch gibt es immer kurze Abschnitte vor Kreuzungen mit angeordneten Fahrbahnverboten und so gerät die regelkonforme Nutzung der Fahrbahn zur gefährlichen Slalomfahrt: Radfahrende müssen sich immer wieder vor Kreuzungen in den fließenden Radverkehr und dahinter in den fließenden Kfz-Verkehr einordnen. Dies provoziert weitere Gefahren und macht es für zügig fahrende Radfahrer:innen zusätzlich schwierig, der konfliktträchtigen Enge auf dem Radweg aus dem Weg zu gehen. Schon vor einem größeren Umbau könnte deswegen eine durchgängige Wahlfreiheit für eine Entlastung der überfüllten Radwege sorgen.

Fußverkehr

Besonders in den Abschnitten zwischen Danziger/Eberswalder und Wisbyer/Bornholmer Straße sowie zwischen Tor- und Saarbrücker Straße gibt es viele Geschäfte und viel Gastronomie. Dies ruft starken Fußverkehr und eine entsprechend starke Nutzung der Gehwege hervor. Die vorhandenen Breiten reichen nicht aus und Radfahrer:innen, die von den überfüllten Radwegen regelwidrig auf den Gehweg ausweichen, verschärfen die Situation zusätzlich.

Tram und Lieferverkehr

Vor allem in den genannten Geschäftsbereichen muss der Lieferverkehr für die Versorgung von Gastronomie und Geschäften funktionieren. Hier dürfen Umbaumaßnahmen keine zusätzlichen Behinderungen der Tram verursachen.

Verkehrsstärken

Am Bahnhof Pankow ist eine von berlinweit 17 Dauerzählstellen für den Radverkehr installiert. Dort werden seit Jahren die zweit- oder dritthöchsten Zahlen Berlins erfasst: im Sommer sind hier werktäglich mehr als 10 000 Radfahrende unterwegs. Für den weiteren Verlauf liegen uns noch keine Zahlen vor, es ist aber zu vermuten, dass die Radverkehrsstärke Richtung Innenstadt eher zu- als abnimmt. Am südlichen Ende der Strecke, am Senefelderplatz, soll demnächst ein Fahrradbarometer eingerichtet werden und wir gehen davon aus, dass dies diese Einschätzung bestätigt.

Die Kfz-Verkehrsstärken variieren stark, die Zahlen aus 2019(1) lassen aber vermuten, dass zumindest an Sommertagen die Anzahl von Kfz und Radfahrenden auf bestimmten Abschnitten ausgeglichen ist, vermutlich dürfte zeitweise der Radverkehr überwiegen. Die Flächenverfügbarkeit spiegelt dieses Verhältnis bei weitem nicht wieder.

Unsere Fragen

Welche Aufteilung des Straßenraums wird angestrebt?

Wie können die konkurrierenden Ansprüche des Umweltverbunds berücksichtigt und Konflikte reduziert werden?

Schönhauser Tor

Wir starten unsere Tour knapp außerhalb des Bezirks, weil die Probleme des Knotens Torstraße / Schönhauser Allee / Rosa-Luxemburg-Straße / Alte Schönhauser Straße nicht ausschließlich auf Pankower Gebiet liegen und sie vor allem nur im Zusammenspiel der beiden Bezirke Mitte und Pankow und dem Senat gelöst werden können.

Radfahrende, die auf der Schönhauser Allee von Norden kommend die Torstraße erreichen, stauen sich zunächst auf einem viel zu schmalen Radweg, der zwar erst um die Jahrtausendwende gebaut wurde, aber den heutigen Radverkehrsmengen bei weitem nicht gewachsen ist. Seit vor wenigen Jahren die Benutzungspflicht des Abschnitts zwischen Lottum- und Torstraße aufgehoben wurde, ist es hier zwar legal, die Fahrbahn zu nutzen, das ist aber nicht jedermanns Sache. Nebenbei führt diese Situation zu starkem Schleichverkehr im benachbarten Wohngebiet, weil Autofahrende, die rechts in die Torstraße wollen, die Ampel, an der sie wegen starken Radverkehrs auf dem Hochbordradweg sehr lange warten müssen, über Lottum- und Angermünder Straße umfahren.
  1. Der geringste Anteil des Radverkehrs biegt rechts in die Torstraße ab, das ist dank eines Rechtsabbiegepfeils für Radverkehr inzwischen komfortabel möglich. Aber wer in diese Richtung will, wird in der Regel die Schönhauser Allee schon über die Fahrradstraße Choriner Straße verlassen.
  2. An zweiter Stelle dürften linksabbiegende Radfahrer:innen zur Weiterfahrt in die Tor- und Rosa-Luxemburg-Straße stehen. Diese können sich entweder auf dem Linksabbiegestreifen zwischen Kfz einordnen und kommen dann zügig mit dem eigenen Linksabbiegersignal durch, oder sie müssen auf der offiziellen Radverkehrsführung nach der Querung der Torstraße vor der legalen Weiterfahrt auf die nächste Ampelphase warten.
  3. Der größte Anteil fährt zunächst geradeaus weiter und biegt kurz hinter der Kreuzung nach links in die Linienstraße ab, um von da weiter Richtung Osten oder über die Fahrradstraße Max-Beer-Straße Richtung Hackescher Markt zu fahren. Diese Radfahrer:innen müssen die Tramschienen überqueren, während gleichzeitig von hinten Kfz aus der gleichen Ampelphase geradeaus in die alte Schönhauser Straße weiterfahren. Geübte Radfahrer:innen, die die Strecke kennen, beanspruchen hier frühzeitig den notwendigen Straßenraum und wechseln zwischen die Schienen, für Ungeübte ist das kein gangbarer Weg: sie müssen erneut warten, um dann im rechten Winkel die Schienen queren zu können. Linksabbiegen über die Gleise

Der ADFC Pankow schlägt vor, das Geradeausfahren von Kfz aus der Schönhauser Allee in die Alte Schönhauser Straße zu unterbinden. Dann würden zwei Ampelphasen genügen – eine für rechtsabbiegenden Verkehr, was auch die „Abkürzung“ durchs Wohngebiet weniger attraktiv machen würde, und eine für Linksabbieger und geradeausfahrenden Radverkehr. Dieser könnte sich ohne von hinten bedrängt zu werden auf die Schienenquerung konzentrieren und linksabbiegenden Radfahrer:innen würde die zusätzliche Wartezeit an der Ampel erspart.

Unsere Fragen

Was halten die Kandidat:innen von dieser Lösung?

Wie lässt sich das Zusammenspiel von zwei Bezirken und Senat für eine solche Verkehrsführung beschleunigen und erleichtern?

Es gibt erste Entwicklungen von Schienenfüllungen, die die Sturzgefahr für Radfahrende reduzieren und den Straßenbahnverkehr nicht behindern. Die Haltbarkeit ist noch recht gering; da diese Strecke nicht im Regelbetrieb befahren wird, wäre sie ideal für einen Modellversuch geeignet. (Wie) könnten solche Versuche in Berlin angestoßen werden?

Verkehrssicherheit

Die großen Kreuzungen an der Schönhauser (Torstraße, Danziger Straße und Wisbyer Straße) sind wegen der vielfältigen Verknüpfungen und Abbiegesituationen für alle Verkehrsteilnehmer:innen anspruchsvoll. Teilweise tauchen sie in den Unfallstatistiken als Unfallschwerpunkte für Radfahrende auf. Wie können diese komplexen Kreuzungen entschärft werden? Welche Schritte sind erforderlich, um mittelfristig die Sicherheitslage zu verbessern?

Baustellenmanagement

Baustellen sind notwendig und machen Einschränkungen für alle Verkehrsarten erforderlich. Wir passieren aber insgesamt drei größere Baustellen, bei denen eine Radverkehrsführung im ohnehin schon zu schmalen Fußgängerbereich angeordnet ist und damit die Einschränkungen v. a. auf Kosten des nicht motorisierten Verkehrs erfolgen. Diese verteilen sich auf die drei großen Straßenabschnitte:
  1. zwischen Torstraße und Saarbrücker Straße – starker Fuß- und Radverkehr, von der Gastronomie genutzter Gehweg, mit durchschnittlich gut 12 000 Kfz pro Tag deutlich weniger belastet als der Abschnitt nördlich der Danziger Straße, der Radweg ist normalerweise wahlfrei, ausgerechnet in der Verengung wird jetzt eine Benutzungspflicht angeordnet; da aber keine nutzbare Zufahrt existiert, dürfen Radfahrende, die die Fahrbahn nutzen, dies auch an der Engstelle tun. Die Verkehrsführung ist unzumutbar, provoziert auf engstem Raum Konflikte zwischen Rad- und Fußverkehr. Radverkehrsführung zwischen Gastronomie, Fußverkehr und Baustelle verschwenkte Radverkehrsführung, starker Konflikt mit Fußverkehr
  2. zwischen Buchholzer und Stargarder Straße – starker Fuß- und Radverkehr, die Baustelle auf dem wahlfreien Radweg wird zum Anlass genommen, um Rad- und Fußverkehr auf einen dafür viel zu schmalen Weg zu zwingen, der Kfz-Verkehr darf uneingeschränkt fließen. Die Verschwenkung auf dem Radweg bringt mit zwei fast rechtwinkligen Kurven dicht hintereinander, vorbei an einem Baumschutzgitter und mehreren Steinpollern erhebliche Gefahren für Radfahrende. Das handgeschriebene Schild “Achtung Radfahrer Sturzgefahr” scheint sehr berechtigt. scharfe Z-Kurve im Radweg unzureichende Breite eines Geh- und Radwegs
  3. Berliner Straße vor Breite Straße – im Bereich der Haltestelle Pankow Kirche wird der Fußverkehr auf einen unzumutbar schmalen Weg gezwängt, der Kfz-Verkehr bleibt ungestört. viel zu schmaler Fußweg

Unsere Fragen

Wie kann gewährleistet werden, dass Baustellen nicht (ausschließlich) zu Lasten des nicht motorisierten Verkehrs gestaltet werden?

Wer gewährleistet die sichere Wegeführung bei temporären Umleitungen an Baustellen?

Wie können gesetzeswidrige verkehrliche Anordnungen von Baustellen bzw. deren Umsetzung auch auf der Bezirksebene (bei Bauarbeiten im Bereich des Gehwegs oder Hochbordradwegs) vermieden werden?

Bahnhof Pankow und Panketrail

Der Verkehrsraum rund um den Bahnhof Pankow ist schon jetzt überlastet. Der geplante Panke-Trail soll die nördlichen Stadtteile Karow und Buch für Radpendler:innen von und nach Mitte besser erschließen. Eine Überquerung der Engstelle mit einer Brücke ist hier zwingend erforderlich.

Unsere Fragen

Unterstützen Sie den Bau einer Fahrradbrücke im Zuge der Realisierung des Panke-Trails über die Berliner Straße?



(1) zwischen Anger und Brennerstraße 8 000–11 000, unter der Brücke kommt der querende Verkehr zwischen Flora- und Kissingen-/Granitzstraße dazu, sodass durchschnittlich 18 200 Kfz gezählt wurden; zwischen Brenner- und Danziger Straße (hier verläuft die Strecke als B96a) waren es im Schnitt 18 000–22 000, zwischen Danziger und Torstraße 12 000 bis knapp 15 000 Kfz pro Tag.